Epilog
Lange ist es her, seit der Flug «Screw 69» mit Kapitän Gonfler und Copilot JoBo nach New York abhob. JoBo ist in der Zwischenzeit zum Jungkapitän auf den kleinen Airbussen aufgestiegen und Kapitän Gonfler trat dreimal seinen vermeidlichen Letztflug an. Gonfler kam wegen Pilotenmangels, hohem Dollar-Kurs, tiefem Dollar-Kurs, Vulkanaktivitäten und anderen Störfaktoren in der christlichen Luftfahrt, immer wieder zu seinem gehassten Arbeitgeber zurück und fliegt zur Zeit bis zum staatlich erlaubten Maximalalter von 85 Jahren die Vierstrahler über den Atlantik. Sein jüngster Spross, gezeugt auf der legendären Rotation nach New York, krabbelt im Moment in der Spielgruppe «Schmetterling» im Kreis herum und wird bei der Pensionierung von Kapitän Gonfler im Idealfall die Matura absolviert haben. Da ist man auf einen kleinen Zustupf angewiesen, zumal die Gattinnen eins und zwei zünftig Alimente und Unterstützungen einfordern. Doch lassen wir die Vergangenheit ruhen, blicken wir in die Gegenwart und begleiten Jungkapitän JoBo auf einer seiner zahlreichen Rotationen. Es ist der vierte Tag von deren sechs in diesem Arbeitsblock. Abflug 06:50 Uhr nach Pristina, danach noch einen Hüpfer nach Nizza. Feierabend – vorausgesetzt es läuft alles wie geplant – ist um 16:00 Uhr. Fasten your seatbelts!
Ausgerechnet Louis Armstrong und ausgerechnet dieser Song! Den Musikredaktor des staatlichen Programms Nummer 1 sollte man fristlos entlassen. «What a wonderful world» und das um 04:15 Uhr. JoBo schälte sich aus dem Duvet und lief schlaftrunken zur Toilette. Eine Laune der Natur sorgte dafür, dass er nicht wusste, wie er sich erleichtern sollte. Sitzend ging mühsam, stehend schon gar nicht. Sein kleiner Freund schien der einzige zu sein, der um diese Zeit voll im Saft war. Mit etwas Morgengymnastik wurde auch dieses Problem umschifft und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine kurze Dusche, ein noch kürzeres Frühstück und einen dreifachen Espresso. Nach dieser Morgenzeremonie war das Blut wieder da, wo es sein sollte. JoBo verliess seine Wohnung um Punkt 05:00 Uhr. Am staatlichen Radio mit der Nummer 1 liefen die Frühnachrichten. Die News waren gar nicht so neu. In Frankreich wurde der Staatspräsident Vater, in Italien bestritt der ehemalige Staatspräsident, dass er Vater wurde und in der Schweiz möchte ein Vater aus Herrliberg, dass alle Schweizer seine Partei wählen und seine Zeitung lesen, die ihm offiziell gar nicht gehört. JoBo legte seinen Pilotenkoffer auf den Rücksitz, startete seinen günstig geleasten Audi Q3 und bog Minuten später auf die Nordumfahrung ein. Es war 05:12 Uhr und der erste Stau an diesem noch jungen Tag am Gubrist war verhältnismässig kurz. Er lag gut in der Zeit.
Kevin, so hiessen neuerdings alle jungen Kopiloten, war schon drei Monate ausgecheckt und fühlte sich sehr sicher auf der A320. Er wohnte in einer WG in Glattbrugg zusammen mit drei Kopiloten und einem Flight-Attendant. Etwas eng war es schon, in der 6-Zimmerwohnung aus den 50er-Jahren, aber erstens waren selten alle zusammen zu Hause, zweitens konnte so eine Stange Geld gespart werden und drittens ging immer irgendeine Party ab. Um 05:50 Uhr sollte er am Flughafen sein. Den Wecker stellte er auf 05:20 Uhr. Das reichte locker. Ein Frühstück brauchte sein Magen um diese Zeit nicht, rasiert hatte er sich bereits am Vorabend, die Uniform lag auf einem Berg ungewaschener Wäsche griffbereit und das Badezimmer war um diese Zeit selten bis nie besetzt. Als JoBo den Gubrist hinter sich liess, träumte Kevin von Sachen, die eben diese gemeinen Unzulänglichkeiten zur Folge haben, die einem Mann den Toilettengang zur fast unlösbaren Aufgabe machen. Doch das war Zukunftsmusik, der Wecker klingelte erst vier Minuten später.
Jennifer, so hiessen neuerdings alle weiblichen Flight-Attendants, hatte Reservedienst. Dieser startete um 5 Uhr am Morgen und Jennifer musste innerhalb einer Stunde am Flughafen sein. Da Jennifer auf ein gepflegtes Äusseres Wert legte und nie ohne ihr Müsli das Haus verliess, reichte die Stunde Vorlaufzeit hinten und vorne nicht. Um für alles gewappnet zu sein, stellte Jennifer ihren Wecker auf 04:30 Uhr. Jennifer stammte aus Deutschland – dem ehemaligen Osten, um genau zu sein. Mit der Unterscheidung zwischen Ost und West konnte Jennifer nie viel Anfangen. Sie steckte in der Kinderkrippe, als die Selbstschussanlagen zwischen der DDR und der BRD abgebaut wurden. Ihre Betreuerin sprach fortan von Kita statt von Krippe und das Sandmännchen mit der roten Zipfelmütze wurde durch eine knöcherige Puppe Namens Barbie ausgetauscht. Jennifers Welt blieb auch fortan in Ordnung. Sie legte das Abitur im Martin-Andersen-Nexø-Gymnasium in Dresden mit Note 1,2 ab und studierte Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Mit dem Masterabschluss in der Tasche suchte sie vergeblich einen Doktorvater. Nach fünf mager bezahlten Praktika in Verlagen und Redaktionen, verabschiedete sie sich von ihrem Traumberuf und heuerte im südlichen Nachbarland als Flugbegleiterin an.
Das Wangenrouge war schon aufgetragen und der Lippenstift am richtigen Ort, als sich die Türe zum Badezimmer öffnete und Kevin mit einer Erektion unter seiner Pyjamahose vor ihr stand. «Na, spielst Du die Schlüsselszene von Thomas Mann’s „Lotte in Weimar“?»
Das Telefon klingelte. «Pristina und danach Nizza. Reporting Time 05:50 Uhr.»
Gian-Andri hatte mit Graubünden nichts am Hut. Er hasste die Berge und er hasste seine Eltern für seinen Taufnamen. Beide Elternteile waren waschechte Zürcher und wohnten nie weiter als zehn Tramminuten vom Hauptbahnhof Zürich entfernt. Aufgewachsen im Kreis 6 in Universitätsnähe, zog es die Eltern nach Auflösung der Drogenszene am Letten in den hippen Kreis 5. Nach der Verkehrsberuhigung der Westtangente kauften Gian-Andris Eltern ein Haus im Kreis 3 und stellten acht Familien mit Migrationshintergrund auf die Strasse. Gian-Andri war in der SP Kreis 3 aktiv und hasste alles berglerische, insbesonders das kleine Dorf Vals, dessen Therme es den Eltern so angetan hatte und weswegen er diesen doofen Vornamen trug. Aus Überzeugung und schlechtem Gewissen engagierte er sich ehrenamtlich in der Ausländerintergration. Also engagieren ist vielleicht übertrieben, er führte die Buchhaltung der sozialen Organisation. Genau genommen führte nicht er die Buchhaltung, sondern sein Vater, der ein Treuhandbüro an bester Lage besass. Gian-Andri bewohnte die Mansardenwohnung im elterlichen Haus. Exakt die Wohnung, in der vor Jahresfrist die Familie Kastrioti mit ihren zwei Kindern hauste.
Gian-Andri knüpfte das frischgestärkte Uniformhemd zu, prüfte die Krawatte und brachte die Rangabzeichen an, die ihn als Maître de Cabine auszeichneten. Gut gelaunt nahm er den neu eingebauten Lift in die Tiefgarage, bestieg den Audi Q7 und düste etwas zu schnell Richtung Flughafen los. Eine Radarmessanlage auf der Hardbrücke registrierte um 05:11 Uhr einen schwarzen Geländewagen der Marke Audi mit übersetzter Geschwindigkeit. Das gestochen scharfe Bild wurde unverzüglich über die Glasfaserleitung des EKZ an das Statthalteramt Zürich übermittelt, wo ein modernes Gerät die Bussenbescheinigung ausdruckte, verpackte, frankierte und in den Postausgang legte. Am nächsten Tag würde Gian-Andris Vater das Couvert öffnen, die Busse von 480 Franken inklusive Bearbeitungsgebühr als verkraftbar taxieren und den Einzahlungsschein an seine Sekretärin übergeben. Diese wird den Lehrbuben Jetmir Kastrioti anweisen, den Betrag zehn Tage nach der gesetzlichen Frist zu überweisen. Staatliche Rechnungen bezahlte man prinzipiell nie fristgerecht!
Sara ohne h war enttäuscht, sie verstand ihren Arbeitgeber nicht. Sie, die erst neulich den Kurs für Langstreckeneinsätze hinter sich brachte, wurde für einen Kurzstreckenflug aufgeboten. Ach was hiess hier für einen Kurzstreckenflug, es waren deren vier! Was für eine Vergeudung von Arbeitskraft! Sara ohne h war jetzt ein Langstrecken-Flight-Attendant mit bereits 11 Monaten Berufserfahrung. Sollen doch die Jungen dieses Sackhüpfen mitmachen. Sara ohne h war für Höheres berufen, mindestens Langstrecken-Business-Class, wenn nicht First.
Widerwillig stellte sie am Vorabend den Wecker auf 05:00 Uhr ein. Für Kurzstreckeneinsätze muss man sich schliesslich nicht so ins Zeug legen. Sara ohne h, Jahrgang 1990, würde an diesem Tag noch eines Besseren belehrt.
Check-In
Kurz vor halb sechs öffnete sich die Schranke zum Parkhaus P6. JoBo wollte gerade losfahren, als ihm ein grosser schwarzer Q7 den Weg abschnitt. «Was für ein alter Idiot!», dachte JoBo im Stillen und folgte dem grossen Bruder mit seinem Q3 in den 3. Stock. Der dicke, fette Q7 parkierte elegant in der ersten Parklücke und JoBo bog einmal nach rechts. Hier hatte es keinen freien Platz, und das um 05:30 Uhr. Er versuchte es im 4., dann im 8. (Stockwerk 5 bis 7 waren wegen Bauarbeiten gesperrt). Auch die 8 erwies sich als Fehler, so probierte er es im 9. und später im 10.. In diesem Moment meldete sein Handy eine eingehende SMS. «Wer wohl um diese Zeit eine Kurznachricht schreibt?», dachte JoBo und griff nach dem neusten Android-Handy, für dessen Einrichtung er sich extra eine Woche unbezahlten Urlaub nahm. «Parking overflow at ZRH Airport, employees should park at P40, thank you for your understanding and have a nice day.» «Have a nice day – Arschlöcher!» JoBo machte eine saubere Analyse nach dem SPORDEC Muster, das er in der Ausbildung zum Flugkapitän gelernt hatte:
S für situation catch:
Da wo ich jetzt bin hat es keinen Platz.
P für prelimery action:
Kein Platz also raus!
O für options:
Option 1, ins P40; Option 2 Krank melden.
R für rating:
Option 2 gibt Ärger und viel Verspätung; Option 1 gibt im Idealfall, falls der Copi schon alles bereit hat, keine Verspätung und keinen Ärger. Also Option 1.
D für decision:
Ich, hochwohllöblicher Flugkapitän entscheide, dass ich jetzt ins P40 fahre, obwohl ich nicht weiss, wo das P40 ist…
E für execution:
VOLLGAS!
C für controlling:
Mache ich später
Mit Vollgas pilotierte JoBo seinen Q3 im Rondell nach unten. Die zwei elektrohydraulisch betätigten Lamellenkupplungen schwappten im Ölbad hin und her, die elektromechanische Lenkung mit geschwindigkeitsabhängiger Servounterstützung war am Anschlag und die Zweikreisbremsanlage mit diagonaler Aufteilung, ESP, hydraulischem Bremsassistenten, Scheibenbremse vorn innenbelüftet, hinten massiv, sorgten dafür, dass der Spengler in der Audi-Vertretung keine zusätzliche Arbeit hatte. (Anmerkung: so ein Quatsch steht tatsächlich im Audi-Prospekt…) Im 3. Stockwerk wollte ein Wagen in das Rondell einbiegen, bremste aber glücklicherweise rechtzeitig. JoBo verliess das P6 um 05:42 Uhr. Es folgten ihm zehn Wagen der Bewachungsfirma «Security Help Intervention Trust», kurz SHIT. Im 3. Stock wären jetzt zehn Parkplätze frei. Ein automatisch generiertes SMS informierte die Angestellten umgehend über die freien Kapazitäten. JoBo hatte keine Zeit die eingehende Kurzmeldung zu lesen. Er düste um den Flughafen herum auf der Suche nach dem P40. Nach der dritten Umrundung des gesamten Areals bemerkte er das FREI-Zeichen im P6, nahm die Auffahrt dank ESP unfallfrei und um 05:56 Uhr öffnete sich die Barriere zum zweiten Mal an diesem Morgen für den gestressten Jungkapitän. Plötzlich klingelte sein Android-Ding. Am Draht war eine freundliche Dame der Crew Disposition. «Verschlafen Herr Bohnenblust?» «Nein, VERPARKIERT!», die etwas gereizte Antwort, «ich bin in fünf Minuten im Briefing.»
Kevin bereitete alle Papiere vor, informierte die Crew Disposition wegen des fehlenden Kapitäns, bestellte eine Treibstoffmenge, die ihm mit seiner Erfahrung als völlig ausreichend dünkte und begrüsste die Kabinencrew im Namen des Kapitäns. Einmal der Chef sein, Vierstreifer spielen und die Direktiven durchzugeben, von dem träumte Kevin schon lange. Als er das Briefing mit den Worten «ich lege Wert auf eine gute Kommunikation, die Cockpittüre ist für Euch immer offen …» begann, brach schallendes Gelächter aus. Dieser ewig gleiche Spruch, schon tausend Mal gehört, selten Ernst gemeint und ausgelatscht wie der Teppich im «Park-Inn» in Heathrow. Und der Kleine kopierte das! Herrlich!
Jennifer konnte ihre Schnauze nicht halten. Die Crew wurde über die morgendliche Badezimmerbegegnung ausführlich ins Bild gesetzt. Kevins Autorität schmelzte wie der Schnee an der Sonne. Als die dummen Sprüche nicht enden wollten, verliess der junge Kopilot den Briefingraum gereizt und wurde sogleich von der Planungsstelle ausgerufen. Der Kapitän käme direkt auf das Flugzeug, wurde ihm mitgeteilt, er solle doch schon alles vorbereiten.
Während dessen nahm das Briefing der Kabinencrew seinen Lauf. Aufgaben wurden verteilt und mit mehr oder weniger Murren angenommen. Sara ohne h betonte mehrmals, dass sie eigentlich eine Langstrecken-Hostess sei, bereits 11 Monate Erfahrung hätte und die Airline dankbar sein könne, dass sie ihre unglaublichen Fähigkeiten ausnahmsweise der Kurzstreckenflotte zur Verfügung stelle. Gian-Andri und Jennifer verdrehten die Augen und teilten den weiblichen Jungspund mit ihrem grossem Selbstvertrauen in der hinteren Küche ein, wo sie den ganzen Tag alleine wirken und sich bemitleiden konnte. Es wurde Zeit, der Bus zum Flugzeug musste in drei Minuten bestiegen werden. Vorbei an der langen Warteschlange vor dem Kaffeeautomaten in den Lift, ein Stockwerk nach unten, sich durchleuchten lassen und ab in die Dunkelheit.
Die letzte Frachttüre wurde geschlossen und es fehlten noch zehn Passagiere plus der Herr Flugkapitän. Kevin war cool, wie es sich für einen Kopiloten gehörte. Er bereitete das Flugzeug vor, überprüfte die von ihm bestellte Treibstoffmenge (Minimum plus 15 Minuten Wartezeit) und flirtete mit der Koordinatorin in ihrer leuchtgelben Weste. In der Zwischenzeit spurtete der Kapitän schweissgebadet die Fahrgastbrücke hoch und fand sich inmitten der anstehenden Passagiere wieder. «He Mann, häsch verpennt?», fragte ihn ein kräftiger Passagier auf dem Weg in seine Heimat. «Wenn es Nebel hat heute, voll Risiko Mann!», grölte ein anderer, der offensichtlich nicht zum ersten Mal nach Pristina flog. JoBo mochte die Passagiere in den Kosovo. Herzlich sind sie, unkompliziert und gewohnt, mit Unvorhergesehenem umzugehen. Der Jungkapitän stürzte ins Cockpit, begrüsste Kevin und küsste Jennifer links und rechts auf die Wange. Der Maître war in der Kabine beschäftigt und versuchte in Pappkartons verpackte Weihnachtsgeschenke zu verstauen. Ihn konnte er später noch begrüssen, jetzt hatte die Arbeit Priorität. JoBo traf fast der Schlag, als er die Wettervorhersagen konsultierte und danach die bestellte Treibstoffmenge des Kopiloten sah.
«Sag mal spinnst du Kevin? Mindestens drei Tonnen mehr müssten in die Tanks. In Pristina hat es Nebel!»
«Easy Mann, ich war schon einmal da und es läuft im Fall super da! Übrigens haben wir eine Startzeit zugewiesen bekommen. In 8 Minuten müssen wir in der Luft sein.»
JoBo machte sein zweites SPORDEC an diesem Morgen.
Der Flug
Sieben Minuten später heulten die Triebwerke auf und Sara ohne h hielt sich ängstlich an ihrem Sitz fest. Ganz alleine sass sie in diesem für sie viel zu kleinen A319 in der hintersten Küche und wusste noch nicht einmal, wer der Herr über das Flugzeug war – wer heute als Kapitän agierte. Einer der verschlafen hat, bestimmte jetzt über ihr Leben. Das Flugzeug neigte sich leicht nach links und es folgte sogleich eine Gegenbewegung nach rechts. Das Flugzeughinterteil schwankte nach auf und ab. Es schüttelte und rüttelte, es knirschte und klopfte. Sara ohne h erbrach über dem Limmattal ihr Frühstück in eine Papiertüte und verschwand sogleich in der hinteren Toilette. Die ersten Passagiere drückten auf den Klingelknopf und Gian-Andri versuchte die junge Hostess über das interne Telefon zu erreichen. Sara ohne h sass derweilen auf der hoffentlich desinfizierten Toilette und heulte sich die Mascara von den Wimpern.
Auf Sitz 17A sass Herr Kastrioti, daneben seine Frau. Herr Kastrioti war seiner Umgebung und seinem Arbeitgeber als umgänglich und stets freundlich bekannt. Herr Kastrioti erhielt im Februar letzten Jahres den Schweizerpass, seine Tochter Kaltrina besuchte das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium in der Enge und der Sohn Jetmir machte eine kaufmännische Lehre in einem Treuhandbüro. Herr Kastrioti war nicht nachtragend, aber er schwor sich, dem Maître de Cabine diesen Flug zur Hölle zu machen. Schliesslich bewohnte dieses Muttersöhnchen ausgerechnet jene Wohnung, aus der Familie Kastrioti vor nicht langer Zeit buchstäblich hinausgeworfen wurde. Herr Kastrioti klingelte ein erstes Mal Sturm.
Jennifer verwöhnte die Gäste in ihrer gewohnt erfrischenden Art. Auch sie mochte die Flüge in den Kosovo. Wenn die Gäste nur immer so unkompliziert und nett wären wie die Kosovaren! Auf Sitz 3A erkannte sie ein bekanntes Gesicht, wusste aber nicht wo sie es unterbringen sollte. Nach dem zweiten Kaffeeservice dann die Erlösung. Es war Beqë Cufaj, ein bekannter Schriftsteller, der in Stuttgart lebte. Über seinen Roman «Der Glanz der Fremde» hatte sie noch 2006 eine Semesterarbeit geschrieben. Eine interessante Diskussion über Literatur sollte den Rest des Flugs für Jennifer verkürzen. Die Arbeit litt etwas darunter, aber Gian-Andri konnte ja den Verkauf erledigen.
Herr Kastrioti liess sich zweimal Kaffee nachschenken und stupste Gian-Andri jedes Mal so hinterhältig an, dass ein kleiner Rest des Kaffees auf dem ehemals weissen und gestärkten Hemd landete. Frau Kastrioti verlor keine Silbe darüber, ärgerte sich aber masslos über ihren Gatten. Sie war es, die nach den Ferien die Flecken auf dem Hemd auswaschen musste. Gian-Andri wusste das nicht, Herr Kastrioti auch nicht, aber Frau Kastrioti war die gute Fee, die Gian-Andri in seiner Abwesenheit und auf Geheiss seiner Eltern die Wohnung in Schuss hielt und die Wäsche bügelte.
Mit kleinen Gemeinheiten hielt Herr Kastrioti Gian-Andri auf Trab, das Gemeinste hatte er sich aber für den Schluss aufgehoben. Gut 20 Minuten vor der Landung schob Gian-Andri den Wagen mit den Duty-Free Artikeln durch den schmalen Gang. In der Reihe 17 angekommen, hob Herr Kastrioti lässig seine Hand. Seine Frau hätte Geburtstag und er möchte ihr ein Foulard aus edler Manufaktur kaufen. Ob er denn das Geld für das 400 Schweizerfranken teure Geschenk auch hätte?, erkundigte sich Gian-Andri von oben herab. Das sei kein Problem, erwiderte Herr Kastrioti, und liess sich das erste der acht Foulards zeigen. So ging das weiter und der Boden kam bedrohlich näher. Sechs der acht Foulards waren ausgepackt und lagen unordentlich über dem Verkaufswagen verteilt. Er hätte sich umentschieden, meinte Herr Kastrioti weltmännisch und verzichtete auf einen Kauf. Gian-Andri trampelte fluchend in die hintere Küche und versuchte mit ungeschickter Hand, die teuren Seidefoulards wieder in die widerspenstigen Verpackungen zu bringen. Ausser Spesen nichts gewesen und nur noch zehn Minuten bis zur Landung!
Derweil dampfte es im Cockpit. JoBo beugte sich über die neusten Wettermeldungen und versuchte eine legale Variante zu finden, damit sie nach Pristina weiterfliegen konnten. Nur 300 Meter Sicht herrschen, Flug «Screw 45PX» bräuchte deren 350. Der Ausweichplatz Skopje war knapp offen, zeigte aber eine Tendenz zur Verschlechterung. Da half nur noch SPORDEC! Zum dritten mal an diesem noch jungen Morgen! Er grübelte, studierte, plante um, bestellte Wetter und fluchte leise vor sich hin. Warum nur hat er sich in eine solche Situation drängen lassen? In der Zwischenzeit kam Pristina näher und Kevin der Kopilot ergriff das Wort. «Ich bin letzthin mit einem grossen, dicken Kapitän geflogen. Der ruft vor der Landung mit dem Satellitentelefon jeweils den Tower an und erkundigt sich aus erster Hand über die neuste Wettersituation. Unkonventionell, aber genial und legal!»
Der Kapitän liess sich überreden und tätigte den Anruf. Gut gelaunt berichtete der Herr im Tower von viel besseren Sichtwerten und entschuldigte sich für die unzuverlässige Wettermeldung an anderer Stelle.
Fünfzehn Minuten später landete Flug 45PX auf der Piste 17 in Pristina. Sara ohne h kotzte die zweite Tüte voll, Gian-Andri versuchte auf dem Notsitz die Foulards zu falten, Jennifer entschloss sich ihre Dissertation in der Schweiz zu schreiben, Herr Kastrioti lachte sich ins Fäustchen, JoBo wischte sich den Schweiss von der Stirn und Kevin verkündete laut und vielleicht etwas unüberlegt: «Siehst du JoBo, alles voll easy hier in Pristina!»
Das erste von vier Teilstücken war geschafft!
Am Boden in Pristina
Die charmante Dame, in den Farben der k.u.k. Fluggesellschaft, näherte sich JoBo’s Fluggerät und dirigierte die Bodencrew so geschickt herum, dass die unproduktive Zeit auf kosovarischem Grund auf ein Minimum reduziert wurde. JoBo teilte die gewünschte Treibstoffmenge mit, testete den Treibstoff zusammen mit dem Tanker auf Wasserrückstände, gab das OK für das Passagierboarding und verteilte da und dort Schokolade. Kleine Geschenke halfen auch im Kosovo die Prozesse etwas zu beschleunigen.
Die charmante Dame in den Farben der k.u.k. Fluggesellschaft informierte den Kapitän über die Passagierzahlen und beklagte sich über die miserable Startzeit, die Brüssel dem Rückflug zugewiesen hatte. Gleichzeitig blinzelte sie mit dem rechten Auge und verkündete mit Schalk, dass diese Slots hier im Kosovo nichts bedeuteten. JoBo durfte starten, sobald er bereit war. Brüssel hin oder her.
Während JoBo die Fäden in der Hand hielt, las Kevin das nationale Boulevardblatt. Las ist übertrieben, er betrachtete die farbigen Bilder, wobei er nicht über die Seite 1 hinaus kam. Rechts unten lächelte eine Sarah mit h aus Bolterdingen BE nackt in die Kamera, verdeckte die Brustwarzen ungeschickt mit den Armen und gestand, dass sie von einem Schwinger mit dicken Oberarmen träume.
Jennifer brachte nichts aus der Ruhe. Sie wärmte sich ein Essen auf, das so aussah, so schmeckte und so verpackt war wie Katzennahrung. Gian-Andri breitete total 2400 Franken bemalte Seide auf dem schmutzigen Boden aus und versuchte diese entsetzlichen Dinger zurück in die Verpackung zu bringen. Foulards sind wie Zahnpaste, einmal draussen bringt man sie nicht wieder rein!
Sara ohne h zog sich in der hinteren Toilette die Wimpern nach und legte ein paar Kotzsäcke neben ihrem Sitz zurecht. In ein paar Minuten würde die erste Langstreckenwelle Zürich verlassen. New York, Delhi, Afrika – wie im Gottes Namen konnte die Airline nur auf ihre Dienste verzichten?
Die charmante Dame in den Farben der k.u.k. Fluggesellschaft klopfte an die Cockpittüre.
Ready?
Ready!
138 Erwachsene und 25 Babys stürmten das Flugzeug und brachten allerlei Mitbringsel mit, die irgendwie und irgendwo Platz fanden. Türen zu, Motoren starten und Anweisungen von Brüssel missachten. Los geht’s!
Über dem Allgäu
JoBo musste mal. Er stand auf, übergab Kevin die Kontrolle über das Flugzeug und verabschiedete sich aus dem Cockpit. Die Toilette war gerade besetzt und dies bot Gelegenheit für einen kurzen Schwatz mit Jennifer. JoBo erfuhr alles über ihr Leben. Das Studium war ein Thema, die WG auch. JoBo erfuhr über die Vorzüge Deutscher Männer und über sexuelle Belästigungen in der WG um 05:20 Uhr am Morgen. Er durfte sich Jennifers Meinungen über Schweizer anhören, kam aber nicht zu Wort um sich allenfalls zu verteidigen. Dass Max Frisch in der Deutschen Literatur völlig überbewertet wurde, vernahm er ebenso, wie Horrorgeschichten über die Deutschfeindlichkeit der Schweizer, insbesonders die der Kapitäne dieser Airline. JoBo musste pissen, konnte aber nicht. Die Toilette war besetzt, eines der Babys musste gewickelt werden und das brauchte schliesslich seine Zeit. Derweil schnatterte Jennifer wacker weiter. Themen wie Eurokrise und die Ehe von Boris Becker kamen ebenso zu Sprache, wie ein Käsebrett, das eine Kollegin einer anderen Airline zu Weihnachten geschenkt bekam. Dass eine Prominente, dessen Namen JoBo nicht kannte, sich die Brüste machen liess, interessierte Jennifer mehr als die überstrapazierte Blase des Herrn Flugkapitän.
«Ratsch», die Toilettentüre ging auf. JoBo drehte sich um und hörte ein weiteres «Ratsch». Das nächste Baby! Besetzt – occuppy – Scheisse! Noch 15 Minuten bis zur Landung. SPORDEC! Ein kurzes Telefonat zu Sara ohne h brachte Klärung. Auch auf den hinteren Toiletten wurden Babys gewickelt. JoBo überlegte sich ernsthaft eine Ansage zu machen und zu informieren, dass Schweizer Beamte keinen Zoll auf kosovarische Baby-Kacke erheben. Er unterliess es. Noch zehn Minuten bis zur Landung. Natürlich dachte der Kevin nicht daran, Passagiere und Crew zu informieren, dass die Räder in Bälde Schweizer Boden berühren würden. Noch acht Minuten bis zur Landung. Kosovarische Babys schienen sensible Hintern zu haben.
Landung!
JoBo musste zurück ins Cockpit. Pisse hin oder her. Kurz ein Briefing zum Anflug, eine hurtige Information der Gäste und eine unmissverständliche Anweisung an den Kopiloten, um Himmelsgottswillen weich zu landen.
Mit zunehmender Blasenfüllung hatte sich JoBo’s Blasenentleermuskel den veränderten Druckverhältnissen angepasst. Als der Blasenentleermuskel an der Kapazitätsgrenze angelangt war, kam es zu einem steilen Druckanstieg im Blaseninnern und über die Dehnungsrezeptoren in der Blasenwand zur Auslösung des Miktionsreflexes. Kurz: JoBo pisste «Outer Marker inbound» in die frisch gebügelten Uniformhosen.
Kevin landete butterweich, was das Unglück auch nicht mehr rückgängig machen konnte. Noch vor der Kreuzung mit der Piste 28 goss sich JoBo absichtlich einen halben Becher kalten Kaffee in den Schritt. Damit hatte er eine Erklärung für die nassen Hosen, konnte ohne Verdacht zu erwecken ein Reinigungsteam bestellen und der starke Kaffeegeschmack sorgte dafür, dass es nicht nach dem roch, was tatsächlich auf der Uniformhose und im Kapitänsstuhl deponiert wurde.
Das zweite von vier Teilstücken war geschafft!
Im Operation Center
JoBo hatte es aus verständlichen Gründen eilig ins Operation Center, kurz OPS, zu kommen. Seine Hosen waren nass, rochen wie ein Altersheim am Morgen und fühlten sich an wie der Duschvorhang im Hotel in Genf, der stets an der Haut klebt, wenn man das Nass über seinen Körper laufen liess. Duschen, das wäre die Lösung! JoBo hatte noch ein zweites paar Hosen im Schrank, Mit frischem Hemd, frischer Hose und ausnahmsweise ohne Unterwäsche, würde er sich wieder wie ein Mensch fühlen.
Man verabredete sich dreissig Minuten später nach der Sicherheitskontrolle «Schengen». Der nächste Flug nach Nizza verliess Zürich erst in gut einer Stunde.
Sara ohne h setzte sich an den ersten freien Computer, bediente mit der linken Hand ihr Handy und loggte mit der rechten bei Facebook ein. Auf dem Handy hatte es 36 neue «WhatsUp» Nachrichten und im Facebook 64 neue Statusmeldungen. Das alles war schnell beantwortet. Was sollte sie bloss mit dem Rest der halben Stunde anstellen?
Gian-Andri druckte die neusten Informationen zum Flug nach Nizza aus und schrieb einen Rapport zum Thema unordentlich gefaltete Foulards.
Jennifer traf im OPS auf einen Kollegen aus Deutschland und verzog sich mit einem Latte-Macchiato in eine Ecke.
Kevin organisierte die neusten Wetterkarten und plauderte mit einem Kollegen aus der Fliegerschule. Dabei erzählte er unter dem Deckmantel der Geheimhaltung vom Kapitän, der sich beim «Outer Marker» in die Hosen machte und versuchte mit altem Kaffee die Misere zu vertuschen. Sofort wurde diese Neuigkeit getwittert und von einem anderen Kollegen als Blogeintrag verewigt. Dieser Blogger war mit einem anderen Blogger verlinkt und dieser wiederum erschien auf der Sozialmedia Seite der firmeneigenen Homepage. Via RSS-Feed wurde der neue Eintrag an alle Stabsstellen, Aussenposten und an die Führungsetage gesendet. So wusste der Stationsmanager in Nizza noch bevor JoBo eine Stunde später Vollgas gab, dass ein Cockpitsitznässer in Bälde an der Côte landen würde. Was für herrliche Neuigkeiten!
Wieder in der Luft
Mit trockenen Hosen kehrte JoBo’s Selbstwertgefühl wieder zurück und er genoss den ersten Flug seines Lebens ohne Unterwäsche. Mit charmanter Stimme erklärte er den Passagieren jeden Berggipfel, jedes Tal und jede Berghütte. Zugehört hat niemand, ausser vielleicht Sara ohne h, die in der hinteren Küche ihren dritten Sack verstaute und mit Tonic ohne Gin den Mund spülte. Die Destination kam näher und Kevin führte das Flugzeug gekonnt Richtung Nizza.
Gian-Andri versuchte die arroganten Gäste von der Côte zu beruhigen und wünschte ihnen einen schönen Tag, obwohl er sie insgeheim verfluchte. «Letters to the President» und Beschwerdebriefe auf Servietten geschrieben, stapelten sich in der vorderen Küche.
Jennifer erlitt fast das gleiche Schicksal wie JoBo auf dem Pristina Flug. Der Latte drückte auf den Hosenbund und die Blase verlangte nach Erleichterung. Statt wie ein Depp aus Höflichkeit vor verschlossener Tür zu warten und die eigenen Hosen zu nässen, nahm sie ihr Schicksal selber in die Hand und öffnete mir deutscher Gründlichkeit die verriegelte Tür mit Hilfe des firmeneigenen Kugelschreibers. Auf der Toilette sitzend schaute eine verängstigte Dame hinter einer «Paris Match» hervor und leistete der unmissverständlichen Aufforderung, das Klo S O F O R T zu verlassen, widerspruchslos Folge.
«Cabin Crew, landing in ten minutes.» Als diese Nachricht von JoBo verkündet wurde, lass Jennifer bereits wieder das «Gala» auf dem Jumpseat. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben; wer zu spät pisst, der wechselt die Hosen.
Saubere Landung von Kevin – einmal mehr. JoBo rollte flüssig, aber dennoch mit dem notwendigen Feingefühl an die Parkposition und verabschiedete die Gäste.
Sara ohne h startete ihr Handy und checkte die letzten Nachrichten. Nur 17 SMS in 50 Minuten, ob ich wohl unbeliebt bin? Der Absender hinter SMS 14 wusste zu berichten, dass ein Kapitän auf einem Flug das Wasser nicht halten konnte. Sara ohne h schmunzelte und postete diese Nachricht sofort auf ihrer Facebook-Seite. Die Schwester von Sara ohne h war die Freundin der Tochter des Chefpiloten. Deren Mutter war im Facebook die Freundin ihrer eigenen Tochter nur um zu überprüfen, was der Nachwuchs im Internet so treibt. Acht Minuten später klingelte das Festnetztelefon im Chefpilotenbüro und die Chefpilotengattin wollte wissen, wann der Herr Gemahl denn am Abend nach Hause käme und ob er schon gehört hätte, dass… .
Das dritte von vier Teilstücken war geschafft!
Nizza
JoBo verschwand in der Toilette um sich neuerlich und diesmal «proceduregetreu» zu erleichtern. Er schloss die Tür, putzte die Toilettenbrille, liess die Hosen runter und setzte sich genüsslich auf das leicht klebrige Klo. In der Zwischenzeit betrat der Stationsmanager die Bühne und erkundigte sich schmunzelnd nach dem Herrn Kapitän. Als Kevin ihm erläuterte, dass dieser gerade das Klo in Anspruch nahm, konnte der Stationschef das Lachen nicht mehr zurückhalten.
JoBo hörte Stimmen, konnte das Gesprochene aber nicht verstehen. Er schüttelte ihn vorsichtig und nahm ein Papier zu Hilfe um gut zu trocknen. Die Gefahr von Restwasser auf der Hose war ohne Unterwäsche um Faktoren grösser. Lieber zweimal als einmal schütteln, lieber beim Papier nicht sparen. Als alles zu seiner Zufriedenheit erledigt war, zog er die Hosen hoch und schloss den Hosenstall so energisch, wie er es sich von zu Hause gewohnt war. Ein Fehler, wie Sekundenbruchteile später im ganzen Flugzeug hörbar war. Ein lauter Schrei drang durch die dünne Türe. Lader und Tanker ausserhalb des Airbus sahen sich an und über die Tower-Frequenz kam die Anfrage, ob Polizei, Feuerwehr oder Ambulanz – beziehungsweise alle zusammen mit Blaulicht ans Flugzeug kommen sollten?
«Ca va mon Commandant?», fragte der Stationsleiter vorsichtig. Ein «Ratsch» kündigte die Öffnung der Toilettentüre an. Stationsleiter, Gian-Andri und Jennifer schauten gespannt auf die sich öffnende Tür. Schmerzverzehrt und tränenüberströmt gab JoBo Entwarnung und bestellte einen Beutel mit Eis. Die Passagiere für den Rückflug warteten bereits in der Fahrgastbrücke und man einigte sich durch Blickkontakt, kein Wort mehr über den Vorfall zu verlieren. Nur Sara ohne h hatte von allem nichts mitbekommen. Ihr waren die Kotzsäcke ausgegangen und sie suchte in der ganzen hinteren Küche nach Ersatz.
Rückflug
Typische Nizza-Passagiere machten der Besatzung das Leben schwer. Ein gewisser Herr Kastrioti, Grossonkel des Kastrioti, der auf dem Pristina-Flug auf Reihe 17 sass, wollte sich von Gian-Andri die Foulards zeigen lassen. Der eben «Nicht-Bündner» liess sich nicht auf das Spielchen ein und beschenkte Herrn Kastrioti, Grossonkel von Herrn Kastrioti, grosszügig mit einer Stange Marlboro rot.
Der Flug verlief ruhig und in Zürich gab es dank einer charmanten Flugverkehrsleiterin keine Verspätung. Sie selber auch Bloggerin und gut verlinkt in Pilotenkreisen, wünschte JoBo vor dem Wechsel auf die Tower-Frequenz einen trockenen Anflug. Wer sonst noch auf der Frequenz war und noch nichts von der Geschichte wusste, erfuhr es spätestens vom Crewbus-Fahrer.
Die Landung verlief problemlos, es lief wie am Schnürchen.
Das letzte von vier Teilstücken war geschafft!
Man verabschiedete sich höflich voneinander und wünschte sich schöne Festtage. Draussen wurde es dunkel. Im der WG von Jennifer und Kevin war bereits eine Afterworks Party am Laufen und Sara ohne h liess am Geldautomaten einige hundert Dollar heraus. Man wusste ja nie, schliesslich würde eine Fachkraft wie sie dringend auf der Langstrecke gebraucht.
Sara ohne h hatte am nächsten Tag einen Doppel-London, Jennifer lag mit Kater im Bett und Kevin konnte seine Morgenlatte für einmal selber Gassi führen. Gian-Andri hatte ein Gespräch mit seinem Platoon-Charlie-Leader wegen der defekten Foulards (Papa wird den Schaden später begleichen) und für JoBo begann eine lange Serie von Konsultationen beim Urologen.
Ein ganz normaler Kurzstreckeneinsatz geht zu Ende.
Abspann
Alles erfunden! Personen, Plätze, Gespräche, Biografien, Gäste, Destinationen – alles erfunden! Diese Geschickte wurde mit Fieberanfällen und unter Einfluss von Similisan, Hustensirup, Halswehtabletten, ACC 600 akut und sonstigen Denkhemmern geschrieben. Man(n) verzeihe mir…
Absolut klasse geschrieben, ich konnte das Lachen nicht zurückhalten.
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