Sonntag, 29. April 2012

Das Ohr des Leaders Teil 2


«Welche Versicherung zahlt?»
«Ich bin Selbstzahler!»
«Ja aber der kam doch eindeutig von links!»
«Ich zahle selber!»
«Das verstehe ich nicht. Ist die Liebhaberin gefahren?»
«Nein, es ist auf dem Parkplatz passiert.»
«Also doch Versicherung. Da zahlt die Parkschadenhaftpflicht!»
«Nein, wie oft soll ich es noch sagen, ich bezahle aus dem eigenen Sack?»
«Wo ist es denn passiert?»
«Hier in Dübendorf.»
«Aha, entweder im Globe oder in der Bumsalp. Das muss die werte Gattin ja nicht erfahren.»
«Ich bin weder verheiratet, noch gehe ich in solche Clubs. Könnten sie mir endlich den Kostenvoranschlag erstellen?»
«Ja gut, wenn sie wollen. Die beiden Türen muss ich ausbauen, die blaue Farbe herausschleifen – übrigens eindeutig Nissan-Blau! – danach spachteln, schweissen, löten, spritzen, brennen, wieder spritzen, wieder brennen und danach einbauen. 3'500 Franken schwarz oder 4'700 Franken mit Rechnung.»
«Günstig nenne ich das nicht.»
«Hätte die Versicherung bezahlt, wären locker 6'500 Franken drin gewesen. Dafür hätten sie aber noch neue Leisten und polierte Felgen gekriegt.»
«Wie lange dauert das?»
«Drei Tage, wenn sie noch 500 drauflegen bis morgen Abend.»
«Also gut, ich brauche den Wagen sofort. 4'000 – abgemacht?»
«3'000 jetzt und einen Tausender nach Ablieferung.»
«Wozu brauchen sie das Geld jetzt schon?»
«Für die Irina im Globe. Im Gegensatz zu ihnen gebe ich es zu, parkiere den Wagen aber ausserhalb der Reichweite eifersüchtiger Damen.»

Jobo wartete im strömenden Regen auf den Bus 760. Der Tag bei der Skyguide war ein ziemlicher Reinfall. Zugegeben, diese Katharina hatte es ihm angetan. Wie sie diese kleinen elektronischen Symbole gekonnt und geschickt herumdirigierte, fand er ziemlich erotisch. Dieses dominante gepaart mit der weichen Berner Stimme löste bei JoBo die Zunge und führte unweigerlich zum Chaos und zu einem Parkschaden von 4'000 Franken. In der neun Uhr Pause offerierte Jobo der Katharina einen Jumpseat-Flug auf der B-737, in der Mittagspause offerierte JoBo der Katharina das Essen und in der Nachmittagspause offerierte JoBo der Katharina einen Kurs im Parken, und beim Rückweg erklärte er dann den Grund für den angebotenen Kurs. Das fuhr der Dame offensichtlich ziemlich schräg ein.

JoBo’s Handy klingelte. Es war die Carosseriewerkstatt.
«Wird es noch teurer?»
«Nein Chef, ich habe eine Notiz gefunden. Darauf steht, dass Katharina ihn immer reinkriege, wenn nötig auch mit Gewalt. Hey Chef, du solltest wirklich mal zur Irina ins Globe. Die macht auch auf Domina, da musst du aber nicht bis Morgen Abend warten bis der Wagen wiederkommt – und billiger ist es auch.»
Lachend legte der Autospengler auf und JoBo stand wortlos im Regen.

Laut iPhone dauerte die Fahrt mit Bus und Zug nach Weiningen eine geschlagene Stunde. Zuwenig um trocken zu werden, zuviel um nicht über das Vorgefallene nachzudenken. Vielleicht hatte Katharina Recht und er war wirklich langsam zu alt für solche pubertären Machosprüche. Vielleicht hatte Katharina Recht und er sollte sein Verhalten dem eines Kapitäns anpassen. Und vielleicht hatte Katharina Recht und er sollte sein Frauenbild überdenken.

In Zürich Hardbrücke stieg ein bekanntes Gesicht ein. JoBo überlegte etwas länger als sein Gegenüber. Es war Jaques Gonfler, der auf direktem Weg auf JoBo zusteuerte.
«Guten Tag Bohnenblust. Als ich Jungkapitän war, fuhr ich 911er und nicht S-Bahn. Naja, wenigstens 1. Klasse. Wo soll’s den hingehen?»
«Nach Hause.»
Kürzer hätte die Antwort nicht ausfallen können.
«Na, ist der Jungkapitän besoffen gefahren und jetzt ist der Lappen weg?»
«Nein, der Jungkapitän ist nüchtern von einem wilden Weib in einem blauen Nissan angefallen worden und jetzt ist der Wagen in der Garage.»
«Ein 911er?»
«Nein, ein Golf.»
«Auch der Zweiwagen ist in der Reparatur?»
«Ich habe keinen Zweitwagen!»
«Als ich Jungkapitän war, hatten wir alle einen Zweitwagen. Ach, das Leben ist hart. Lass uns ein Bier zusammen trinken.»
Zürich Altstetten stand auf dem Bahnhofsschild, als JoBo im Schlepptau von Gonfler die S9 verliess. Das war ganz und gar nicht Teil seines Plans, aber aus welchen Gründen auch immer, er folgte dem Kapitän im Ruhestand willenslos.
Vorbei an der Migros liefen die Beiden zur Badenerstrasse und unter Leitung Gonflers nahmen sie Platz am Tresen des neu eröffneten Pizza-Blitz-Restaurants.
«Warum gerade dieses Lokal?», wollte JoBo wissen. «Das Bier ist günstig und in etwa einer Stunde ist hier der Teufel los. Junge Sekretärinnen holen für die Büros Take-away Pizzen ab und da gibt es viel zu sehen.»
JoBo hatte keinesfalls Lust eine Stunde mit dem alten Gonfler hier zu sitzen. Aber als das erste Bierglas geleert war und ein zweites vor ihnen stand, sah die Welt schon viel besser aus.
«Na, wie geht’s in der Firma?», wollte Gonfler wissen. Doch noch bevor JoBo antworten konnte, kam Gonfler zum Thema, das ihm offensichtlich schon einige Zeit auf dem Herzen lag.
«Ich brauche deine Hilfe Bohnenblust. Vielleicht magst du dich noch an die Sirikit aus Bangkok erinnern. Wir hatten es gut zusammen. Unser gemeinsames Haus haben wir in Koh Samui direkt am Strand gebaut. Ein Bungalow des Feinsten, kann ich dir sagen. Modernste Küchengeräte, ein Flachbildschirm grösser als ein Tischtennistisch und eine Klimaanlage, die die Eisblumen am Fenster zum Wachsen brachte. Als der letzte Maler das Haus verliess, standen plötzlich meine Koffer vor dem Bungalow und die Polizei begleitete mich zum Flughafen. Ich habe die Macht dieses Weibsstücks unterschätzt. Meine Ersparnisse sind weg, meine Rente flöten. Ich muss noch zwei, drei Mal nach Bangkok und brauche ein paar deiner verbilligten Tickets. Reguläre Tickets kann ich mir nicht kaufen. Erstens aus finanziellen Gründen und zweitens weil mit der Sozialarbeiter sonst die Hölle heiss macht.»

Mittlerweile standen acht leere Biergläser auf dem Tresen und JoBo bestellte eine Funghi-Prosciutto. Die jungen Sekretärinnen kamen in Scharen, wurden von den zwei alkoholisierten Piloten aber nicht beachtet.

«Ich kann dir schon ein paar meiner Tickets geben, muss dich aber darauf aufmerksam machen, dass du dich anständig benehmen musst. Aber Hand aufs Herz Kollege, was willst du noch ausrichten unten in Samui? Da ist nichts mehr zu holen. Diese Felle sind weg»

«Ach weisst du JoBo, wie hat schon Woody Allen gesagt: Ein Junggeselle ist ein Mann, der nur ein einziges Problem hat - und das ist lösbar. Für mich ist dieses Problem am besten und einfachsten in Thailand lösbar.»

Das mittlerweile sechste Bier verschwand im Bauch JoBo’s und das Niveau der Konversation sank in gleichem Masse, wie die Lautstärke anstieg.

«So Bohnenblust, erzähle mal von deinem Sexleben.»

«Ich habe so die Schnauze voll von den Weibern. Machen auf Sexbombe, lassen dich aber nicht an die Wäsche. Sie stehen auf Machos, hängt man aber einmal den Macho heraus, demolieren sie einem deine Karre.»

JoBo bestellte die achte Stange Bier, was ihm der Beizer aber verweigerte.

«Als lediger Kapitän habe ich es besser bei der Umsetzung der Weisheit von Woody Allen. Kennst du die Irina im Globe?»

Jemand klopfte JoBo auf die Schulter. Er drehte sich um, es war Katharina.

«Du bist noch peinlicher als ich dachte.»

Fortsetzung folgt

Montag, 23. April 2012

Das Ohr des Leaders Teil 1


Ein regnerischer Samstag im April. Kein Hund wollte nach draussen, keine Seele trieb sich vor dem Haus herum. Um der Langeweile zu entfliehen, suchten Mensch und Tier Zuflucht im Shopping Center in Spreitenbach. Die Anfahrt war mühsam, die Parkplatzsuche eine Qual.

JoBo kurvte von Stockwerk zu Stockwerk und suchte eine Lücke für seinen roten Golf V77. In Liftnähe war es aussichts-, in den hinteren Reihen hoffnungslos. Zwischen einem Mini Cooper und einem tiefergelegenen Traktor mit 450 PS sah er eine Lücke in der hinteren Reihe. Er wendete, schaltete in den Rückwärtsgang und zielte auf die vermeintliche Lücke zu. Der Parkplatz war frei, aber die beiden Wagen zu seiner rechten und linken standen so «schepps» im Parkfeld, dass selbst JoBo’s Golf keinen Platz fand. Der Hauptübeltäter war ein blauer Nissan unbekannten Typs mit einer verbeulten Fahrertüre und einem Wimpel vom FC Basel am Rückspiegel. Das war für den langjährigen FCZ-Fan des Guten zuviel. Er griff zu Papier und Schreiber und schrieb den Satz, den er zu diesem Anlass gerne zitierte, auf den Zettel, und klebte ihn unter den vorderen Scheibenwischer.

Zufrieden zog er von dannen, betrachtete das rollende Wrack noch einmal von hinten, memorisierte das Abziehbild auf der Rückseite und fragte sich, was «swissacta» wohl für eine Sekte sei. Macht ja nichts, wenn der Fahrer oder die Fahrerin religiös fanatisch veranlagt wäre, würde der Satz seine Wirkung gleich doppelt entfalten.

Als JoBo mit quietschen Reifen hinter dem Betonpfosten verschwand, flatterte der Zettel mit der Aufschrift: «Wenn sie so vögeln wie sie parkieren, dann kriegen sie nie einen rein!» im Luftzug der Klimaanlage.

Eine Viertelstunde später stand er vor dem Frischgemüse in der Migros. Vor ihm stand eine ältere Dame, die jeden Sellerie kritisch prüfte, in den Händen kreisen liess und dann wieder zurücklegte. Auch die Tomaten und der Salat schienen prüfenswert zu sein, denn sämtliche Kunden betatschten das Frischgemüse, als wären es die Titten der Geliebten. JoBo schauderte es, er wechselte in die Gefrierabteilung und legte sich tiefgefrorene Broccoli aus Kalifornien in den Einkaufswagen. Der Einkauf war an diesem verregneten Samstagnachmittag ein Spiessrutenlauf. Kinder rannten kreischend hin und her, Männer suchten ihre Frauen und die Frauen flüchteten vor ihren Männern. Dass an diesem Samstag auch noch doppelte Cumulus-Punkte gutgeschrieben wurden, entschärfte die Situation keineswegs. Aus der Brotabteilung roch es himmlisch. Marketingmässig schlau angebracht, buken die Helfer frische Brote inmitten der Verkaufsfläche und zogen so die hungrigen Mäuler an, wie der Speck die Maden. So auch JoBo.

Zwischen ihm und den frischen Hefezöpfen standen zwei Familien mit Ihren Schützlingen.
«Doch, doch – es geht schon viel besser. Der Karli hat mich angesteckt seit letzter Woche bringe ich den Husten kaum mehr weg. Jetzt haben ihn die Kinder auch. Etwas fiebrig sind sie, aber ich dachte, so ein Besuch im Shoppi kann nicht schaden.» «GESUNDHEIT! – Hand vor den Mund, wie oft soll ich dir das noch sagen?» «Nein, nicht diese Brot, das andere! Ist es auch frisch? Drück mal daran!» «GESUNDHEIT! – aber nein, jetzt hast du genau auf das frische Brot genossen! Leg es wieder zurück und nimm ein anderes! Ach diese Kinder, man hat es nicht einfach als Mutter heutzutage!»

JoBo ist der Appetit vergangen. Er machte rechtsumkehrt und kaufte in der Frischbackabteilung zwei Frischbackbrote, die laut Angaben auf der Verpackung in keimfreier Umgebung abgepackt wurden und durch ein besonderes Gas in der Verpackung geschützt sind.

In diesem Moment ging das Licht aus.

Für einen Moment war es mucksmäuschen Still. Aus der Brotabteilung erklang ein feuchtnasses Husten, aber sonst war kein Ton zu hören.

«Geschätzte Kundinnen und Kunden. Das ganze Einkaufszentrum ist von einem Stromausfall betroffen. Bitte verlassen sie umgehend den Laden und lassen sie alle noch nicht bezahlten Waren zurück. Zuwiderhandlungen gegen diese Aufforderung werden rechtlich verfolgt. Wir bitten um Verständnis.»

JoBo griff nach seinem iPhone und beleuchtete den Fluchtweg. Obwohl er den Weg nach draussen auch im Schlaf gefunden hätte, war er um die Lichtquelle froh. Überall standen Einkaufskörbe und Wagen herum und Kinder suchten schreiend nach ihren Eltern. Zwischen den Toilettenartikeln und der Tiernahrung legte JoBo eine Verschnaufpause ein und blickte auf sein iPhone. In der Mailbox hatte es eine neue Mail. Er drückte auf die entsprechende App und las mit erstaunen einen Satz, den er im ersten Moment gar nicht verstand: «The ear of the leader must ring with the voices of the people.»

Das Mail kam aus dem Chefpilotenbüro und das an einem Samstagnachmittag. Das musste wichtig sein. So lud er das beigelegte pdf-File herunter und setzte sich auf einen Karton voller Damenbinden, die eine Praktikantin in den nächsten Minuten hätte einräumen müssen.

«The ear of the leader must ring with the voices of the people.»

Täglich haben wir die Kolleginnen und Kollegen der Flugverkehrsleitung im Ohr und wundern uns, warum dies und das so gemacht wird. Der Gegenseite geht es genauso darum haben sich die beiden Organisationen darauf geeinigt, dass sich Piloten und Flugverkehrsleiter einen Tag lang bei der Arbeit zuschauen und falls möglich, Fragen und Unsicherheiten auf der Stelle klären. Aus der beiliegenden Tabelle entnehmen sie, wann und wo sie zum Observerdienst eingetragen sind.

Der Rest des Briefes bestand aus den gewohnten Durchhalteparolen. JoBo streckte die Beine aus, berührte dabei eine Tafel die Aktionen anpries und löste durch deren Sturz eine Kettenreaktion aus, die einen Turm aus hunderten gestapelten Toiletten-Papier-Rollen zum Einsturz brachte.
Er scrollte nach unten und fand die Tabelle mit den zugewiesenen Daten. Bohnenblust stand fast zuoberst auf der Liste und es verschlug ihm beim Anblick des Marschbefehls fast die Sprache. «Treffpunkt ACC Wangen bei Dübendorf, 05:15 Uhr vor dem Haupteingang.» Auch das noch – Frühdienst!

Wochen später war es soweit. Google Map berechnete von Weiningen bis nach Wangen eine Fahrzeit von 52 Minuten. Das dünkte JoBo etwas viel, aber er wusste aus Erfahrung, dass Google Map eher konservativ rechnete. So stellte er den Wecker auf 03:45 Uhr und schlief schnell ein.

Der Gubrist war frei, das Brüttiseller Kreuz auch. Um 04:30 Uhr, also eine dreiviertel Stunde zu früh, bog er auf das Gelände der Skyguide ein. Warum er dermassen zu früh eintraf, bemerkte er Minuten später. Ein Blick auf den Ausdruck von Google Map schaffte Klarheit, er gab Wangen an der Aare als Reiseziel ein, statt Wangen bei Dübendorf. Anfängerfehler, was soll’s. Der Parkplatz war gut besetzt, die Eingangstüre fest verriegelt. So lief er in diesen frühen Morgenstunden etwas hin und her und betrachtete die ordentlich parkierten Autos der Lotsen. Alles gepflegte Modelle mit Geschmack ausgewählt. Keine Protzkisten, aber solider Mittelstand. «swissacta», wo hatte er diesen Aufkleber nur schon gesehen? Fast auf jeder Karre war der Sticker zu finden, JoBo war das egal. Das Licht im Eingangsbereich wurde angeschaltet und die freundliche Dame des Empfangs lies den frierenden Piloten rein.

«Herr Bohnenblust der Pilot nehme ich an? Mein Name ist Mirella Meier. Bitte nehmen sie Platz. Die Kaffeemaschine steht hinter ihnen, bedienen sie sich ruhig. Sie sind heute im Ost-Sektor mit Frau Katharina von Sigriswil eingeteilt. Katharina kommt gerne etwas knapp, richten sie sich auf einen Spurt ein, wenn sie die Eingangstüre durchschreitet.»

Katharina von Sigriswil, was für ein Name! JoBo versuchte sich die Dame von Patriziergeschlecht vorzustellen. Schön war sie mit Bestimmtheit nicht, Jung sowieso nicht. Die Kaffeemaschine funktionierte mit Nespresso-Kapseln. JoBo entschied sich für den Indriya und bereitete sich einen doppelten Espresso zu.

«Frau Meier, sind eigentlich alle Lotsen streng gläubig?»
«Warum fragen sie?»
«Draussen stehen lauter Autos, die einen Sticker der Sekte «swissacta» angebracht haben.»

Mirella lachte laut auf. «Wenn sie gewisse Personen in der Geschäftsleitung fragen würden, ob es sich bei der «swissacta» um eine Sekte handle, ernteten sie mit Bestimmtheit grosse Zustimmung. Es handelt sich um die Vereinigung der Fluglotsen. Eine vernünftige, aber schlagkräftige Truppe.» JoBo hielt inne und versuchte sich daran zu erinnern, warum er sich für diese «swiss-dings-bums» interessierte. War nicht wichtig.

Draussen quietschte und rumpelte es. Unter einer dicken Staub und Rauchwolke kam ein alter Wagen zum Vorschein und eine attraktive Brünette stieg aus und raste auf den Eingang zu.

«Machen sie sich auf die Verfolgung Herr Bohnenblust, das ist ihre Chefin am heutigen Tag.» Mirella Meier lachte und sah das Blinzeln in den Augen des jungen Kurzstreckenkapitäns. Frau von Sigriswil und Herr Bohnenblust schienen sich zu verstehen.

JoBo betrat den Raum mit leichter Ehrfurcht. Hier sassen sie also, die Frauen und Männer, die ihm Tag für Tag sagten, wie er den Airbus zu fliegen habe. Die Stimmung war gelöst, die Leute locker gekleidet. Kaum einer der Männer war rasiert, die meisten hatten eine dampfende Tasse Kaffee vor sich auf dem grossen Pult. Ein Funkspruch ist noch keiner gefallen, die Maschinen warteten noch im AMIKI Holding auf die Freigabe zum Anflug. Es herrschte noch Nachtsperre im Zürich, der Anflug OST sass noch in den Startlöchern.

«Neulich flog ich Zürich als erster an und irgend so ein Idiot vergass doch tatsächlich die ILS einzuschalten.» JoBo versuchte mit Witz und Humor auf sich aufmerksam zu machen. «Neulich sass ich im Turm und irgend so ein Piloten-Idiot versuchte bei den Geschwindigkeitsvorgaben zu schummeln. Hat ihn 10 Minuten und 800 Kilogramm Kerosin gekostet.»
Dieses Votum kam aus der hinteren Ecke und war nicht zur Auflockerung der Stimmung gedacht.
«Wenn du heute Nachmittag das Gebäude ohne Kaffeefleck auf deinem weissen Hemd verlassen willst, halte besser die Klappe.»
Katharina wirkte plötzlich konzentrierter und begann die Punkte auf dem Bildschirm herum zu dirigieren.

«Thai 978 turn right heading 320, descent to FL80 and reduce to 180 knots.»
«Screw 122 descent to 7000ft, QNH 1011. Report your speed!»
«I told you to maintain 210 knots, turn right HDG 310 and reduce to 170 knots.»
«Dass ihr Idioten der Screw euch nie an die Geschwindigkeitsvorgaben halten könnt.»
«Negative, you’re not number one for approach, you’re number three in sequence and if you’re not maintaining 170 knots, you become sooner or later number five.»
«DELTA ECHO HOTEL INDIA PAPA – remain outside CTR ZRH, turn left HDG 170 and climb at least to 10500 feets, there are mountains ahead!»
«Auch das noch, ein Piper aus dem Schwabenland!»

So ging das weiter die nächste halbe Stunde. JoBo verlor bereits nach fünf Minuten die Übersicht und hätte in dieser ersten Schicht als Lotse ein Chaos angerichtet. Er war froh, als Katharina des Mikro abgab und ihn in den Pausenraum schleppte.
«Hat das Pilötchen wenigstens Schokoladen mitgebracht?», fragte ein Kollege Katharinas beim vorbeigehen. JoBo hatte nicht.

«Sag mal Katharina, du bist Bernerin, redest so schnell wie eine Miss Schweiz aus dem Thurgau und fährst Auto wie ein Rennfahrer auf der Cardbahn...»

«... und parkieren kann ich auch nicht, neulich hat mir so ein Idiot im Shoppi Spreitenbach… »

JoBo fielen die Schuppen von den Augen. Da lag Ärger in der Luft.


Fortsetzung folgt!