Sonntag, 2. September 2012

JoBo träumte

Er zuckte leicht und schlief sogleich ein. Auch die Träume liessen nicht lange auf sich warten...

JoBo trat durch ein grosses Tor in eine verrückte Welt, wo ein grosser Mann mit grossem Kopf und noch grösserem Herz an einen grossen Tisch sass und JoBo's Lebensgeschichte in ein grosses Buch eintrug.
JoBo wollte den Mann genauer kennenlernen, der seit geraumer Zeit sein Leben skizzierte. JoBo versteckte sich hinter einem Baum und beobachtete den grossen Mann mit dem grossen Kopf und dem noch grösseren Herzen genau. Er schien einen Schreibstau zu haben, er schien sich an der Geschichte die Zähne auszubeissen.
Aus der Ferne hörte JoBo ein Geschrei. Phillipe Matzenauer, ein bekannter virtueller Pilot, stürmte an den grossen Tisch, wo der grosse Mann mit dem grossen Kopf und dem noch grösseren Herzen sass, und warf ihm einen Briefumschlag vor die Nase.
"Ich habe die Lösung! So soll es in JoBo's Leben weitergehen."

Der grosse Mann mir dem grossen Kopf und dem noch grösseren Herzen nahm den Briefumschlag, öffnete ihn und las die Zeilen vorsichtig durch:


JoBo schlenderte durch die grosszügigen Terminals des Zürcher Flughafens. Eigentlich sollte er um diese Zeit bereits das Flugzeug für den bevorstehenden Flug nach Tel Aviv vorbereiten, doch war dies nicht möglich. Aufgrund eines Streiks des Bodenpersonals in Madrid hatte die Maschine zirka 2 Stunden Verspätung. Auch wenn die Piloten mittlerweile irgendwo über Frankreich den Cost Index des Airbus’ etwas raufschraubten, hatte JoBo noch mindestens eine Stunde Zeit.

„Das kann ja heiter werden“, seufzte er. Immerhin gelten die Passagiere nach TLV als nicht gerade als unzimperlich. Er suchte ernsthaft ausreden, um während des Boardings nicht beim Eingang stehen zu müssen.

„Hair-Stylist“ stand nun zu seiner linken in einem geschwungenen Schriftzug oberhalb einer elektrischen Schiebetüre. „Warum auch nicht?“, dachte er und betrat das Geschäft. Seine Haare sind in den letzten Wochen stets länger geworden und die Schläfen haben sich einige Nuancen grauer verfärbt. Genau genommen war ein Friseurbesuch schon längst überfällig, denn gemäss der „Uniform-Regulation“ im Intranet der Airline – welches den passenden Namen „S-CREW“ trug – sollte die Frisur stets so gepflegt aussehen, wie die Schuhe. Zugegeben, die grauen Schläfen bringen einem Kapitän durchaus mehr Respekt ein und zeugen von Erfahrung, doch auf den Dancefloors dieser Welt rücken Sie einen in ein schiefes Licht. Und mit JoBo’s derzeititen nachtaktiven Lebensstil erhellten sich die Schläfen rasend schnell. Die Versuche, Katharina zu vergessen, setzten ihm scheinbar zu.

„Nur kurz etwas schneiden, bitte“, sagte er zur kleinen Brunette – die vor ein paar Stunden  wohl noch eine Blondine war und ihn sogleich zu einem Sessel führte.
Kathrin wurde sie ursprünglich von ihren Eltern getauft Kathy nannte sie sich – das musste ein Omen sein. Ohne Zeit zu verlieren legte sie los: „Sind Sie zum ersten Mal hier? Normalerweise arbeite ich eben in der Filiale im Sihl-City, helfe aber in der Ferienzeit ab und zu am Flughafen aus.“ Bevor er antworten konnte folgte das nächste Thema ihres Gesprächsplans:
„Sagen Sie, was halten Sie als Kapitän davon, dass die Schweiz nun Occassions-Kampfjets aus Deutschland kaufen soll? Also ich finde, wir sollen doch jetzt den Deutschen nicht den Mist abkaufen. Irgendwas wird ja faul sein, dass diese die Jets nicht mehr wollen. Und sowieso – jetzt mit dem ganzen Steuerstreit, warum sollten wir denen was abkaufen, die nehmen ja auch alles einfach so.“
Ihm war es gerade recht, dass Sie gleich ihre Meinung kundtat – auch wenn er sie nicht teilte. Ganz nebenbei schnippelte sie gerade oberhalb der Stirn.

Und dabei geschah, was geschehen musste:
JoBo sah im Spiegel, wie ein längerer Büschel Haare plötzlich sanft auf seinen Nylon-Umhang flog und ein Stück Kopfhaut zum Vorschein kam, das nicht so leicht zu kaschieren war.
Kathy wäre am liebsten im haarbedeckten Boden versunken und versprach ihm, alles zu tun, um das Malheur zu bedecken. Der Haarschnitt ging selbstverständlich auf Kathys Kosten.
Vor dem Geschäft setzte er mürrisch seine Pilotenmütze auf, die sonst nur seinen Koffer bedeckt und welche er vor Jahren etwas zu klein gewählt hatte, weil sie ihn so grösser scheinen liess. Die Mütze würde er auf den nächsten Flügen wohl nur bei geschlossener Cockpittüre abnehmen.
An diesem Abend zog sich JoBo gleich nach dem Essen ins Zimmer zurück. Nicht einmal die Musik aus den Strassen der jungen Party-Metropole vermochte ihn an eine Bar zu locken. Mit seiner Frisur fiel es ihm schwer, sich auf der Strasse zu zeigen. In diesem stillen Moment fehlte ihm das aufmunternde Lachen Katharinas mehr denn je. Sogar ihre aufbrausende Stimme, die er jeweils hörte, wenn er seine Schuhe direkt hinter der Wohnungstür stehen gelassen hatte, fehlte ihm. Warum muss er nur ständig an Sie denken? Es fiel ihm doch auch leicht, Katharina zu vergessen – in jener Nacht im Airport Hotel in Heathrow, mit Lucienne, der Flugbegleiterin aus dem Unterwallis, die mit dem süssen Akzent.
Wie konnte er nur so blöd sein?
Wie soll er nur von ihr loskommen?
Oder zu ihr zurückfinden?

Der Wecker schrillte und JoBo wachte schlagartig auf. In der Unterhose war der Platz knapp. Was er wohl geträumt hatte? Das spielte jetzt keine Rolle, er musste nach Moskau!
Schuld an diesem Flug war nicht etwa die Crew Disco, sondern eine gewisse Carole, die (noch) nicht an JoBo Leben mitschrieb, aber viel darüber las...

Freitag, 24. August 2012

die Boardingabenteuer eines Flugkapitäns


JoBo stand zwischen Galley und Toilette eingeklemmt und beobachtete das Boarding seines Flugzeugs. Die Chefin zählte die Passagiere, JoBo die weissen Sommerhüte.
Alle sahen sie diesen Sommer gleich aus. Viel zu grosse Pilotenbrillen überdeckten die letzten Pickel und auf dem Kopf wurde lässig dieser weisse Basthut getragen, mit dem Frank Sinatra vor 300 Jahren «New York, New York» zu Besten gab.
Kids sind doof, dachte JoBo und schaute einer jungen Blondine in den Ausschnitt.

Dabei wollen die Kids nur «In» sein und cool wirken. Anpassen um jeden Preis, abtauchen in der Menge. Nur nicht auffallen, nur nichts falsch machen. JoBo war im Grunde genommen keinen Dreck besser. Seit dem Zoff mit Katharina hing er Abend für Abend in angesagten Clubs herum, hörte laute Musik, bewegte sich lässig dazu und trank klebrige Getränke wie «Aperol-Spritz» und «Hugo». Ach, er konnte diesen «Hugo» nicht mehr sehen! Er vermisste Katharina.

«Haben sie WiFi?»
Diese doofe Frage konnte nur von einem pubertierenden Klugscheisser kommen, der im Facebook anderen weissen Sommerhutträgern sagen wollte, was er durch seine getönten Ray-Ban Imitationen sehen konnte.
«Ich sitze auf 23B»: «102 Gefällt mir!» – «23A ist blond»: «112 Gefällt mir und 14 Kommentare» – «Fliegen ist geil» - «132 Gefällt mir und 1 gefällt mir nicht.»
«OMG!»

Doch es gab nicht nur die weissen Sommerhutträger mit den kurzen Hosen und den Ray-Ban Imitationen, es gab auch die Langhosenträger mit Ohrwärmern, wobei die Ohrwärmer unbedingt ein rotes «b» auf der Ohrmuschel haben mussten, allenfalls der Träger total uncool wirkte, was ihn von den b-Ohrwärmträgern böse Kommentare einbrachte.

JoBo blickte in den Ausschnitt der Brünetten, was ihm böse Blicke vom Tätowierten Bodybuilder mit Harley Davidson Jacke eintrug. Die Möpse waren wirklich gut, da hat sich der Blick gelohnt.
Katharina war auch gut bestückt. Nicht zu gross, aber auch nicht zu klein. Naturweich ohne störenden Silikonwiderstand. Gut um darauf einzuschlagen und noch besser um daran zu erwachen.
Ach wie er Katharina vermisste!

Ein älteres Pärchen näherte sich dem Flugzeug. «Fliegen sie über Bassersdorf an?»
«Nein, dieser Anflug ist erst ab 21 Uhr aktiv und wenn sie sich beeilen mit Einsteigen, dem Handgepäck verstauen und sich setzen, dann landen wir noch vor halb Neun...».
«Ach wissen sie, ich bin Aktuarin bei den Östlern!»
«Bei den Östlern?»
«Ja, im Fluglärmforum Ost. Und wenn ich als Aktuarin ausgerechnet über Weisslingen anfliege, verzeihen mir das meine Vorstandskollegen nie. Schliesslich habe ich extra SCREW gebucht, damit wir die Nördler etwas ärgern können.»
«Die Nördler?»
«Flugscheisser Nord, sie wissen schon, Höri und so... »

JoBo wurde abgelenkt durch eine Blondine. Etwas Sonnenbrand am Brustansatz, aber ein rassiges Weibsstück!
Ach wie er Katharina vermisste.

Ein Lehrer stieg ein. Warum JoBo das erkannte wusste er auch nicht, aber es stellte ihm alle Nackenhaare auf. Der Herr trug Manchesterhosen und einen Sakko aus gleichem Stoff, und das bei Temperaturen von über 30° im Schatten.
«Fliegen sie mit Biotreibstoff?»
«Keine Ahnung, da müssen sie Air Total fragen.»
«Ich finde Biotreibstoff unethisch!»
«Warum?»
«Damit sie fliegen können, hungern Millionen von Menschen in der dritten Welt.»
«Und sie sind natürlich total unschuldig...»
«Ich bin bei Greenpeace, beim Club of Rome, bei Max Havelaar und kaufe Kleider im Drittweltladen in Winterthur Veltheim.»

Des Lehrers Gattin verdrehte die Augen und entschuldigte sich nonverbal bei JoBo. JoBo nahm die nonverbale Entschuldigung an und gönnte sich einen Blick auf die Wölbungen des Sommerkleids, was die Lehrersgattin nicht zu stören schien. Ach wie er Katharina vermisste.

«Haben sie nun Biotreibstoff oder nicht?»
«Keine Ahnung Herr Oberstudienrat, aber weil sie mich jetzt so lange aufgehalten haben bin ich gezwungen mit Vollgas zu fliegen, was mindestens 300 Kilogramm Mehrverbrauch zur Folge hat. Gerne können sie das CO2-kompensieren.»
Die Lehrersgattin schickte JoBo einen Kuss entgegen.

Nach weiteren vier Weisshüten und vier b-Ohrwärmern war das Boarding beendet und JoBo – äh Verzeihung – der Copilot startete wenige Minuten später beide Triebwerke und das Flugzeug raste mit M0.79 dem Feierabend entgegen.
Die Checklisten wurden abgearbeitet und Zürich kam näher. Laut Bordcomputer sollten sie um 18:23Z, also 20:23 Lokalzeit über dem Anflugpunkt RILAX sein. Einer Landung auf der 14 stand nichts im Weg. Kaum auf 131.15 MHz gewechselt, begann JoBo’s Herz zu rasen. Es war Katharina am anderen Ende der Leitung.

Ungewohnt scheu und unsicher meldete sich JoBo an. Korrekt mit Flugnummer und Wettercode, mit Flugzeugtyp und Flughöhe. Etwas harscher als bei den anderen Flugzeugen kam die Antwort zurück:

«RILAX AND HOLD!»

Satte 45 Minuten und 1.4 Tonnen Kerosin später setzte der Airbus auf der Piste 28 auf und wurde – auch dass noch – auf den Standplatz D08 gelotst.

Der Lehrer wetterte wegen der Umweltverschmutzung; die Aktuarin, weil sie im Tiefflug über Weisslingen donnerte; die Weisshüte, weil sie weitere unnötige 45 Minuten vom Facebook getrennt waren; die b-Ohrenwärmerträger in den Batterien ihrer iPods Leere herrschte und die Kabinenchefin wegen der schlechten Landung. Nur die Lehrersgattin zwinkerte JoBo zu und bedankte sich nonverbal für das schlechte Umweltgewissen ihres Gatten.

JoBo musste sich etwas einfallen lassen, so konnte es nicht weitergehen.

Samstag, 11. August 2012

Fragen über Fragen

Kaffee wird mir gestrichen und meine Mailbox läuft über. Leserinnen beklagen sich über Männer, die kleine Schrift und den Verlauf der Geschichte. Ich suche Rat in den Pubs Londons...

Na, wie soll die Geschichte denn weitergehen?

Freitag, 10. August 2012

Milano buonasera

JoBo sass alleine in einer Ecke der Quartierbeiz und blätterte unmotiviert im Stadtanzeiger. Todesanzeigen über eine ganze Seite. Der Föhn war zu Gast die letzten Tage, was die kränklichen Leute im Massen sterben liess. Der Tod brachte Trauer, aber nur wer den Liebesschmerz kennt, weiss was wahres Leiden heisst.
Die Serviertochter – Leni zum Namen und seit drei Jahren in der Schweiz – brachte den dritten Espresso. Dass JoBo den Espresso ohne Zucker und Sahne trank, schien der Schwerinerin entgangen zu sein. Dass er aber Kapitän auf einem grossen Flugzeug war, auf keinen Fall. So berührte sie jedes mal seinen Ärmel und hoffte auf einen zärtlichen Blick. Nichts dergleichen, JoBo starrte auf die Todesanzeigen und hoffte im Leid anderer Linderung für seine Liebesschmerzen zu finden.
Dabei entgingen ihm die sorgfältig ausgesuchten Weisheiten, die auf die Zuckerportionen gedruckt waren. Leni sah sofort, was den attraktiven Gast in der Ecke beschäftigte und dementsprechend vorsichtig wurden die Sprüche weiser und weniger weiser Personen ausgesucht. Auf dem ersten Beutel kam Marlene Dietrich vor gut dreissig Minuten mit dem ersten Espresso zu ihrem Auftritt:

Die meisten Frauen setzen alles daran, einen Mann zu ändern, und wenn sie ihn 
geändert haben, mögen sie ihn nicht mehr.

Als Leni sah, dass JoBo den Zucker nicht beachtete, schob sie unter das nächste Beutelchen einen leckeren Keks. Vielleicht brachte Doris Day JoBo's Humor zurück:

Die Frauen machen sich deshalb so hübsch, weil das Auge des Mannes besser
entwickelt ist als sein Verstand.

Frau Annerösli Berchtold, dankbar eingeschlafen im 97. Altersjahr im Altersheim Bergblick, schien JoBo mehr in seinen Bann zu ziehen, als die Nachricht auf Zuckerbeutel Nummer drei, vorgetragen durch Liza Minelli:

Wenn ein Mann will, dass ihm seine Frau zuhört, braucht er nur mit einer anderen zu reden.

Keine Regung bei JoBo. Oder doch? Seine Miene erhellte sich und er notierte eine Nummer. Schnell kramte er zwanzig Franken aus seinem Geldbeutel und legte es auf den Tisch neben die Zuckerweisheiten. "Schon gut so Leni", sprach er deutlich und verliess die Quartierbeiz im Laufschritt.

Leni räumte den Tisch ab und versuchte zu erraten, warum JoBo das Lokal so überstürzt verlassen hat. Sie wollte die Lokalzeitung schon zurücklegen, als sie über ein kleines Inserat stolperte: Lokalfernsehen sucht Singles für eine Kuppelshow. Man kann sich melden unter ...
Leni meldete sich.

JoBo rannte zu sich nach Hause und schnappte sich das Telefon. "Der Katharina werde ich es zeigen", dachte sich der Jungkapitän, während er die Faust im Sack machte. Er rief die überteuerte Nummer an, notierte sich die Angaben, die eine junge Dame auf ein Band sprach, startete dem Mac und schrieb eine Bewerbung, der er ein Bild in Uniform beilegte. "Wie erkennt man einen Piloten an einer Party von 200 Leuten? Ganz einfach: Er sagt es ihnen..." Einmal mehr bewahrheitete sich diese alte Hostessenweisheit.

Gut zwei Wochen später sass JoBo in Sponsorenkleidern und Sponsorenfrisur auf Sponsorenstühlen und hielt einen Sponsorendrink in den Händen. Auf dem Teleprompter vor seinem Kopf erschienen die vorher abgesprochenen Fragen und die dazugehörenden Antworten. Diese hat ein knapp 20-jähriges Ding formuliert, die nächstes Jahr Publizistik (so geil!) studieren will.
Die Sponsorenschuhe drückten und der Sponsorenscheinwerfer blendete. Eine Assistentin, die nächstes Jahr Publizistik (so krass!) studieren will, hüpfte mit einer Uhr vorbei, die die Zeit bis Sendebeginn anzeigte.

Drei, zwei, eins – ACTION.

"Unser erster Gast heute Abend ist Johannes Bohnenblust, genannt JoBo, der als Flugkapitän bei der SCREW arbeitet. Doch lassen wir die Bilder sprechen, geniessen wir einen kleinen Ausschnit aus dem interessanten Leben unseres Helden der Lüfte."

Was folgte war mehr als peinlich. Die Kamera verfolgte den fast 40ig Jährigen bei seinem ersten Krafttraining EVER! Der Sponsor wollte es so und der Sponsor wollte auch das blaue Muskelshirt. Da JoBo's Figur nicht dem Ideal eines regelmässigen Fitnessclubbesuchers entsprach, bastelte eine junge Assistentin, die nächstes Jahr Publizistik studiert (sooo Mega!), ein paar Sixpacks auf den Bauch und als Zugabe ein Tattoo auf den Oberarm, das eine 747 bei Start zeigte. Darunter prangerte gut lesbar der Spruch: 

don't be knitter, take a 747 skipper

Natürlich waren diese Bilder nicht mit JoBo abgesprochen und natürlich kam es noch peinlicher. Ihm völlig unbekannte Damen versuchten JoBo ins beste Licht zu rücken, versäumten es aber nicht, JoBo einen Hang zur Vielweiberei anzudichten. Es sei halt so in der Fliegerei, meinte eine, die nächstes Jahr Publizistik studiert (oh my god!) und schob eine Kusshand nach.

Fünf Minuten später war der Film zu Ende und JoBo's Ruf ruiniert. Die Show begann und Fragen wurden gestellt. Kandidatin eins war jung, studierte an dem Herbst Publizistik (mega cool!) und wollte schon immer einen Piloten im Bett. Kandidatin zwei brachte zwei Gören mit in die Sendung und Kandidatin drei war zwar Deutsche, aber dafür sehr sympathisch. Liebe Leser sie ahnen es, Leni hatte sich hinter dem Vorhang mit der Nummer drei versteckt.
Musik wurde angestimmt, Geschenke vom Sponsor verteilt und die Assistentin, die nächstes Jahr Publizistik studiert (voll krass!) übergab den Hauptpreis an die zwei Turteltauben.

Ein Wochenende im Flughafenhotel in Malpensa für zwei Personen, türkisches Bad inklusive. JoBo erlitt vor laufender Kamera einen Nervenzusammenbruch, was seine Vertrauensärztin im Fliegerischen Medizinzentrum mit Sorgenfalten beobachtet und subito im Dossier von JoBo notierte.

Buonasera Milano!

Mittwoch, 8. August 2012

Delta Standplätze

Die Sonne stand senkrecht über dem Flughafen. Das Wetterbüro meldete 34°C, das Anzeigeinstrument des Airbus' 42°C. Auf der gegenüberliegende Seite waren die Fenster des Ausschaffungsgefängnisses weit geöffnet, die Insassen lagen wie tote Fliegen auf ihren Pritschen. Die Schulkinder hatten Hitzefrei und die Mütter kauften Eis in rauen Mengen. Nur eine Dame fror am Flughafen, es war TWRMädel, das an diesem sonnigen Tag zusammen mit Katharina Dienst hatte und ihren Faserpelz um die kalten Nieren schlang. Im Tower herrschten kühle 19°C und einzig die Nespresso-Maschine spendete etwas Wärme.

JoBo wartete auf D06 auf die Passagieren. D06 war ein Parkplatz auf der Strafbank des Flughafens. Wer artig war bekam einen Parkplatz an einem der grossen Terminals zugewiesen. Auffällige wurden am "Delta" parkiert, die Standplätze "Charlie" und "Foxtrott" kamen einer Isolationshaft gleich. Weit und breit keine Klimaanlage und die Weisung, dass die Hilfsturbinen aus Klimaschutz- (offiziell) bzw. aus Kostengründen (naheliegend) nicht unnötig lange laufen gelassen werden sollen.
Keine Hilfsturbine, keine Klimaanlage!

Vor dem Cockpitfenster dröhnte der Hilfsdiesel, der das Flugzeug mit Strom versorgte. Er stiess einen dicken und pechschwarzen Rauch aus, der die CO2 Bilanz offensichtlich nicht belastete, aber Lärm machte wie ein Dampfhammer im Strassenbau. Das dröhnende und rauchende Ungetüm hatte zur Folge, dass die Cockpitfenster nicht geöffnet werden konnten und das etwas kühlende Lüftchen ausblieb.

Als die Airbusanzeige 43°C anzeigte, startete JoBo das Hilfstriebwerk. Ein leichtes Summen im Heck des Flugzeugs zeugte davon, dass Kerosin mit einer Rate von 200kg/h zur Hebung der Stimmung und zur Senkung der Temperatur investiert wurde. Nach 60 Sekunden deutete ein klicken eines Relais und das kurzzeitige Erlöschen des Bordlichts an, dass die Hilfsturbine Strom lieferte und bereit ist, JoBo's Achselschweiss zu stoppen. Er drückte den erlösenden Knopf und sogleich flatterte der Ärmel seines durchgeschwitzten Hemds im kalten Luftzug. Aus der Kabine kamen dankende Worte und es wurden die Augenlider mit Mascara nachgezogen, weil die ersten zwei Schichten Opfer der eigenen Körperflüssigkeit wurden. JoBo nahm wieder auf seinem Sitz Platz und schaute auf den Tarmac.

Vor dem Nachbarflugzeug standen drei Flughafenbusse mit Passagieren, die auf das Boarding warteten. Der Kapitän raste mit Hut auf dem Kopf und korrekt nach dem Reglement im Blazer und Leuchtweste um das Flugzeug herum, und versuchte die Prozesse, die er als Büropilot mitdefiniert hatte, zu beschleunigen. Dass ihm die Übung dabei etwas fehlte erkannte JoBo an der Tatsache, dass der Büropilot keine kühlenden Getränke an die Bodenmannschaft verteilte. Denn es sind die kleinen Geschenke, die die Freundschaft und Arbeitsmoral am Leben erhielten.
Die Türe 2L war weit offen und ein Flight-Attendant stand im Durchzug und hielt zur Freude der Ramper den Saum ihres Jupes in die Höhe, in der Hoffnung etwas Kühlung zu erhalten.

Die Aussentemperatur zeigte jetzt 44°C an und die Passagierbusse warteten noch immer in der prallen Sonne. Dass die alten Dinger nicht gekühlt sind, wusste JoBo aus erster Hand. Sparmassnahmen auch beim Flughafenbetreiber. Die armen Passagiere freuten sich in der Sauna auf das kühle Flugzeug, waren aber leider auf dem falschen gebucht. Ausser JoBo hielt sich jeder an die Vorschriften und die Insassen schwitzten dementsprechend.
JoBo nahm den "Blick" zur Hand und betrachtete das junge Ding auf Seite 1, das verlegen die Hände auf den entblössten Büstenhalter hielt. Den Leuten scheints zu gefallen – Jobo auch, selbst wenn er es nie zugeben würde.

Am Funk meldete sich jemand:

"Screw 1017, are you on the Freq?"
"Yes, go ahead!"
"Willst Du nicht im kühlen Tower einen heissen Nespresso mit zwei noch heisseren Damen trinken?"
"Boarding in 15 Minutes, ich kann nicht. Übrigens, wer ist am Funk?"
"Aha, kennt seinen Schatz nicht einmal...." 
"Wünsche einen schönen Tag Katharina!"
"Und Dir einen schönen Flug nach Malpensa. Ach übrigens, ist es nicht brütend heiss in Deinem Flugi?"
"Nein, ich habe die APU gestartet."

"... und genau über diesen APU Start muss ich mit ihnen Reden, Flugkapitän Bohnenblust."

JoBo schaute zuerst nach hinten und dann nach draussen. Ein Zebra stand vor seiner Flugzeugnase und hinter ihm die Flughafenaufsicht.
"Meier mein Name, dürfte ich Ihre Personalien für die Anzeige aufnehmen?"

Wäre JoBo doch zu einem heissen TWR-Kaffee zu den noch heisseren TWR-Damen gegangen!

Sonntag, 27. Mai 2012

das Ohr des Leader Teil 5


Blick vom Urmiberg

Unter ihnen lag der Vierwaldstättersee noch im Schatten. Die Sonne beleuchtete die Alpen an diesem Pfingssonntagmorgen und in der Ferne zeichnete ein A380 der Lufthansa einen weissen Streifen an den blauen Himmel.
In der Hütte schliefen noch alle. Nur JoBo sass mit einem dampfenden Becher Milchkaffee auf der Terrasse des schmucken Hauses und blickte hinunter nach Brunnen. Er war ein Morgenmensch durch und durch. Wenn der Tag erwachte und die Vögel mit ihrem Gezwitscher ihre Federgenossinnen zu beeindrucken versuchten, spürte JoBo seinen Geist ganz intensiv. Die stillen Momente wurden nur durch die regelmässigen Niessattacken unterbrochen. Heuschnupfen – jedes Jahr das gleiche Theater.

Unten auf dem Vierwaldstättersee hinterliess ein Fischerboot eine vergängliche Spur, oben auf dem Urmiberg frassen die Schafe das Gras von den steilen Hängen.

Die letzten Wochen waren für JoBo sehr stürmisch. Nach dem kalten Bad im Doubs ging es im Leben des Jungkapitäns eher hektisch zu.

Statt Subaru fuhr er jetzt einen Fiat 500, die Zeitschriften «Landlust» und «Landliebe» wurden abbestellt, der Arbeitsweg wurde um eine halbe Stunde kürzer, statt in einem Volg im Weinland, kaufte JoBo jetzt im Glattzentrum ein, eine Hochzeit wurde abgesagt und eine Zweizimmerwohnung gesucht. Mit anderen Worten: er trennte sich von Sonja.

Diese Traumbeziehung fand nach diesem Seminar am Doubs ein jähes Ende. Obwohl JoBo in diesem CRM-Kurs einige Werkzeuge zur Schlichtung kennenlernte, fand er kein Rezept gegen die Geschichte mit der Morgenlatte. Eine Seminarkollegin der Swissport beobachtete am besagten Morgen den Jungkapitän JoBo, wie er mit gut sichtbarer Errektion ein Zweierzelt, das er mit einer attraktiven Dame teilte, verliess und Abkühlung im kalten Doubs suchte. Per MMS wurde Sonja informiert. Diese hatte gerade einen Airbus der Air France am Hacken und stoppte nach dem Betrachten des Bildes so abrupt, dass dem Kapitän der Airfrance sein Toupet verrutschte. Dies wiederum hatte einen Rapport zur Folge, dem eine Nachbesprechung beim Chef folgte. Sonja arbeitete fortan wieder 100%, dies allerdings im Gepäckdienst.

Unnötig zu betonen, dass JoBo’s Rückkehr weniger romantisch ablief, als dies geplant war.

Die Koffer standen bereits vor der Tür und was nicht darin Platz fand, lag auf einem Haufen dem strömenden Regen ausgesetzt. Da Sonja berechtigterweise den Subaru für sich beanspruchte, nahm JoBo einen Taxi für zweihundert Franken vom Weinland nach Oerlikon, wo er temporäres Asyl in der Wohnung von Jaques Gonfler fand. Wenn sich das auch dramatisch anhört, für JoBo war es das nicht. Er genoss die neu gewonnene Freiheit, stürzte in den Freitagen ab und zu mit Gonfler ab, kaufte sich einen Cinquecento und fühlte sich zurückversetzt in seine Copilotenzeit.

Dass das Traumpaar nicht mehr zusammen war, machte auf dem Flughafen schnell die Runde. Länger als üblich wartete JoBo jeweils auf den Push-Back-Traktor und selbst die Koordinatorinnen der Swissport weigerten sich erfolgreich, mit JoBo nur ein Wort zu wechseln. JoBo kam auf die schwarze Liste und würde so schnell nicht mehr davon runterkommen.

Die Sonne schickte ihre Strahlen jetzt auch nach Brunnen runter und im katholischen Ort läuteten die Glocken an diesem Pfingstsonntag für die Handvoll Gläubigen, die statt auf den See, in die kalte Kirche pilgerten. JoBo’s Kaffeetasse war leer und er bereitete sich einen neuen Milchkaffee zu.
Er war zu Gast bei einem befreundeten Paar in ihrem Wochenendhaus. Raus aus der Hektik, rein in die Natur. Etwa so könnte man das Motto des Wochenendes betiteln.

Ins einsame Holzhaus am steilen Hang kam endlich Leben. Man hörte die Toilettenspülung und das Knarren des Holzbodens. Im Erdgeschoss lief eine Dusche und der Hausherr deckte den Frühstückstisch. Neben den vier Tellern und den diversen Esswaren wurde ein Turm von Geschenken aufgestellt. Katharina kam mit nassen Haaren um die Ecke, umarmte JoBo von hinten und gab ihm einen dicken Kuss auf den Mund. «Guten Morgen Schatz!»

Eine weitere Türe wurde geöffnet und Katharinas Freundin und Hausherrin TWRMädel kam zur Tür hinein. «Happy Birthday» wurde angestimmt und alle sangen kräftig mit. Schön, an diesem Pfingstsonntag Geburtstag zu haben!

Happy Birthday TWRMädel!


+ Fortsetzung folgt +

Montag, 7. Mai 2012

das Ohr des Leaders Teil 4

«Aber nicht diese Pfeife!»
Katharina tobte am Flussufer. 
«Nie und nimmer teile ich ein Kanu mit diesem versoffenen Bock und das Zelt schon gar nicht!»
Dem CRM-Leiter gelang es nur mit Mühe, die Flugverkehrsleiterin zu beruhigen. Ihr Kopf hatte die Farbe des roten Plastikhelms angenommen und ihr Oberkörper bewegte sich bedrohlich auf und ab. Als würde man in einer Kanukluft nicht so schon dämlich genug aussehen, stand JoBo aus Mangel an langen Neoprenhosen jetzt buchstäblich mit abgesägten Hosen da.

Das ganze Herumtoben nützte nichts, die Teams waren zusammengestellt und der CRM-Coach betonte übertrieben fürsorglich, dass die Herausforderungen des Flusses eine gute Gelegenheit wären, dass sich die zwei Streithähne etwas beruhigen und in den kalten Fluten Frieden schliessen könnten.

Der Leiter trommelte die Gruppe zusammen und gab die ersten Instruktionen. Er erkundigte sich, wer bereits Wildwassererfahrung besitze und gab Tipps, wie man sich bei Kenterungen zu verhalten habe.
Er erwähnte auch die Vorzüge der traumhaften Landschaft und las von einer der Informationstafeln ab, was eigentlich niemanden interessierte:

Am westlichen Rand der Schweiz, in einem tief eingeschnittenen Tal befindet sich eine Flusslandschaft von herausragender Schönheit und Ursprünglichkeit. Jäh bricht die malerische Hochebene der Franches Montagnes hier in steil abfallenden Bergflanken zum Tal des Doubs ab. Wegen der dünnen Besiedlung und des unwegsamen Geländes ist der Flusslauf in einem heute äusserst selten gewordenen natürlichen Zustand geblieben. Der Doubs mäandriert frei und meist gemütlich in der engen Talsohle. An wenigen Stellen zeigt er sich wilder und spritziger...

«Wenn Du in diesen drei Tagen nicht spurst, dann fahre ich Dir in die Eier wie neulich in Deine Protzkarre! Also keinen Pieps Du ärmliches Pilötchen!»

…das feuchte Klima lässt üppiges Grün gedeihen, sogar die Steine sind völlig von Moos bedeckt. In dieser fruchtbaren Idylle ist eine artenreiche Tierwelt zu beobachten. So ist der Doubs auch bei Fischern ausserordentlich beliebt.

«Fischfutter mache ich aus Dir, wenn Du mir im Zelt zu nahe kommst und wehe Du schnarchst!»

Aufgrund der strengen Naturschutzbestimmungen und Regelungen mit der Fischerei, aber auch wegen der einzelnen Stromschnellen ist eine Befahrung mit dem Kanu nur unter professioneller Führung zu empfehlen. Dieses Naturparadies ist fragil und verdient eine verantwortungsvolle Nutzung.

Endlich ging es los und die Boote wurden zu Wasser gelassen. Üblicherweise sass vorne eine Dame und hinten der Mann. Dies aus zweierlei Gründen: Erstens war der Mann in der Regel schwerer und zweites konnte der Hintere das Boot so steuern, wie er wollte. Nur im Zweier JoBo/Katharina sass die Frau hinten.

Die Fahrt begann rasant. Das Wasser schäumte und der Neoprenanzug sog sich voll Wasser. JoBo bekam eine Welle voll ins Gesicht und rang nach Luft. Die Brille erwies sich als störend und so übersah er das Drama, das sich geschätzte zwei Meter vor ihnen ereignete. Der Chefpilot und die Leiterin der Crew-Bus-Organisation, beides Alpha-Tiere, konnten sich bei einer Stromschnelle nicht über den richtigen Weg einigen und wurden quer vor einen mit Moos bewachsenen Stein gedrückt. Dass Boot kippte nach vorne und die beiden Alpha-Tiere machten Bekanntschaft mit dem 14-grädigen Doubs. Der Chefpilot schrie wie am Spiess, nicht aus Angst oder Scham, sondern weil sein firmeneigenes Handy Opfer der Fluten wurde. Die Chefin der Crew-Bus-Disposition paddelte wild mit den Armen mit dem Ziel, dass die extra für diesen Anlass gestylte Outdoorfrisur nicht ihren halt verlor. Beide Schlachten gingen verloren und zu allem Unglück fuhr der Zweiter JoBo/Katharina dem Chefpiloten über seinen gelben Helm, wovon am Abend eine ziemliche Beule davon zeugte.

Katharina schrie vor Freude, Jobo machte sich vor Angst in den Neoprenanzug, was wegen den Unmengen Wassers im Boot niemand merkte.

Müde und durchgefroren kam die Truppe vier Stunden später in Soubey an. Die Boote wurden an Land gezogen und zitternd wartete die Gruppe auf den Bus, der sie nach Goumois zurückbrachte. Der CRM-Coach überbrückte die Wartezeit damit, dass er vor dem Touristenbüro die Informationstafel vorlies. Ein Raunen ging durch die Gruppe, doch der Coach liess sich nicht beirren:

Soubey ist geprägt von der Landwirtschaft (v.a. Milchwirtschaft und Viehzucht). Auf 13,5 km2 Fläche leben lediglich 150 Einwohner. Das Gemeindegebiet umfasst einen Abschnitt des Clos du Doubs. Die Talflanken sind bis zu 500 m hoch. Dem Fluss entlang sind hier meist Auen zu finden, die 200 bis 300 Meter breit sind…

«He Coach, das interessiert doch keine Sau», rief Katharina dem Chef entgegen, «organisiere lieber eine Runde Glühwein!» Es nützte nichts:

…Die Pfarreikirche Saint-Valbert stammt aus dem Jahr 1632 und weist als einzige Schweizer Kirche nördlich der Alpen ein Dach aus Kalksteinplatten auf. Die dünnen Platten stammen aus Steinbrüchen der Region und sind ausserordentlich schwer. Die Fenster wurden von Coghuf 1962 gestaltet…

«He Pfeiffe, hast Dich gut geschlagen auf den wilden Wassern des Juras! Hast ein paar Punkte gutgemacht, Dein Saldo liegt jetzt bei Minus 5000.»

…Der Ortskern ist geprägt von den alten Häusern aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Wenn man die nach Sainglégier führende Strasse verlässt und beim ersten Weg links abbiegt, gelangt man zur sehenswerten Mühle aus dem Jahr 1565, wo sich heute eine Forellenzucht befindet, die auch besichtigt werden kann. Ein Spaziergang zum Kreuz oberhalb des Dorfes wird mit einer sehr schönen Aussicht über das Dorf und das Tal belohnt…

«Ich habe Aussicht auf den Bus – er kommt!» Es kam Unruhe in die Gruppe und alle liefen Richtung Bus. Nur der Coach liess sich nicht beirren und beendete die touristische Information zum einem Dorf, das niemanden interessierte.

…Empfehlenswert sind die Wander- und Bikewege entlang der Doubs-Ufer durch intakte Naturlandschaften. Der Fluss ist auch bei Kanuten und Fischern sehr beliebt.

Die Boote waren dank der Anleitung des Busfahrers schnell festgezurrt und jedermann sass an seinem Platz. Jedermann? Niemand bemerkte, dass sich der Chefpilot aufmachte, eine funktionierende Telefonzelle zu finden (falls hier unter 30-Jährige mitlesen, eine Telefonzelle war so quasi ein fest im Boden installiertes Handy mit Hülle drum und einem Gestank darin, der half die Telefonkosten auf einem niedrigen Niveau zu halten). Schliesslich wollte der Stellvertreter in Zürich informiert sein, dass der Chef, ohne den in Zürich ja gar nichts funktionierte, handylos in den Pampas verloren war.
Der Chefpilot fand keine Telefonzelle, aber eine Hausfrau, die ihn auf dem Festnetz (falls jemand nicht weiss was ein Festnetz ist, soll er sich bei Wikipedia informieren) telefonieren liess. Er informierte seinen Stellvertreter, dieser organisierte ein Taxi und ein in der nähe wohnender Kapitän versorgte den Chef mit trockenen Kleidern. Vier Stunden später sass der Chefpilot in seinem Büro in Kloten und beantwortete die ersten e-Mails.
Es dauerte geschlagene fünf Stunden, bis der erste Teilnehmer den Chefpiloten vermisste. Man informierte die firmeneigene Alarmstelle, die wiederum das Chefpilotenbüro in Kenntnis setzte, wo der Vermisste den Anruf persönlich entgegennahm. Es war noch nicht Abend, als der Kurs bereits einen Teilnehmer weniger zählte.

Der Rest des Tages bestand für die Teilnehmer aus der normalen Camping-Scheisse. Kochen auf Kochstellen, die sich fürs Kochen nicht eignen. Sitzen auf Sitzgelegenheiten, die fürs Sitzen unbrauchbar sind und Abwaschen mit Infrastruktur, die fürs Abwaschen zu umständlich ist. Danach folgte das übliche Lagerfeuer mit den üblichen Spielchen, den üblichen Geschichten und der üblichen Langeweile. JoBo hatte Glück und sass neben einem M/C, der schwarzen Afghan erster Sahne dabei hatte. Die beiden kifften sich ins Glück.
Mit Katharina wechselte er nach dem Kanuabenteuer kein Wort. Als er das Zelt Nummer vier betrat, war diese bereits in einen Daunenschlafsack eingehüllt und schlief so tief wie ein Murmeltier. Sie schnarchte leicht, was JoBo ihr am nächsten Tag sicher nicht sagen würde.

Der schwarze Afghan leistete ganze Arbeit. JoBo schlief sofort ein und verschwand im Reich der Träume.

Ein lauter Trompetenstoss gefolgt von schallendem Gelächter Katharinas folgten am frühen Morgen. JoBo war verkatert und realisierte nicht, dass das Lachen ihm galt. Unter dem Zelt Nummer vier hatte sich ein weiteres Zelt gebildet. In JoBo’s Lendengegend stand etwas senkrecht nach oben, das so um diese Uhrzeit nur senkrecht nach oben schaut, wenn Mann a) gut geträumt, oder b) noch besser geträumt hat. Zusammen mit der übervollen Blase erzeugte das einen Druck auf den Schlafsack, dass dieser unter den Kräften fast zu bersten drohte. JoBo wusste, dass nur ein schnelles Harnlassen Linderung brachte, hatte aber im besten Willen keine Idee, wie er das in dieser Zeltstadt mit offenem Pissoir anstellen sollte. Es blieb nur ein Ausweg. Jobo rannte nackt Richtung Doubs und sprang schwanzvoran in die kalten Fluten.
Katharina genoss die Szene sichtlich, betrachtete das Ergebnis nächtlicher Träume eingiebig und notierte in Gedanken einen neuen Punktestand. JoBo’s Saldo verliess mit einem grossen Sprung die Minuszone.

Fortsetzung folgt.

Der Doubs war die einfachste Lösung




Sonntag, 6. Mai 2012

das Ohr des Leaders Teil 3


Liebe Leserinnen und Leser, ich muss sie leider enttäuschen. Aus Katharina und JoBo wird nichts. Ein Pilot und eine Flugverkehrsleiterin, das kann nicht gut gehen! Zwischen diesen zwei Berufsgruppen läuft es nur reibungslos, wenn sämtliche Kommunikation in der «Standard Phrasologie» abgehandelt wird. Langfristig führt das in Partnerschaften zu Konflikten und Trennungen.
Heisst es in normalen Beziehungen «Schatz, könntest Du mir ein Bier holen?», würde die Kommunikation zwischen einem durstigen Piloten und einer Flugverkehrsleiterin um einiges sachlicher, aber dafür in beziehungstechnischer Hinsicht schwieriger ablaufen:

«Request a beer!»
«Unable due to traffic.»
«OK, request two beers and chips with salsa.»
«Unable due to traffic.»
«In this case, I have no choice: MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY…»

Sehen sie, worauf ich raus will? Das kann nur schief gehen. Katharina blieb (vorerst) Single, JoBo hüpfte wenige Tage später in ein warmes Nest. Interessanterweise lernte er die Dame wieder über das Mikrofon kennen und interessanterweise auch am Flughafen Zürich. Eines Morgens fragte ihn eine sympathische Stimme: «Guten Morgen Cockpit, kann ich das Flugzeug anheben?»

Sonja war eine stämmige Frohnatur aus dem Zürcher Weinland und arbeitete am Flughafen als Push-Back-Fahrerin. Die warme und weiche Stimme elektrisierte JoBo an diesem nebligen Morgen und brachte sein Herz zum Springen, so wie ein dreifacher Nespresso, gebraut aus schwarzen Kapseln. So quasi Liebe auf den ersten Stoss. Beim «all clear signals received» winkte man sich zu und ein kurzer Augenkontakt kam zu Stande. Schnell machte JoBo nach dem Flug Sonjas Telefonnummer ausfindig und verabredete sich eine Woche später mit der Dame zum Abendessen im Schloss Schwandegg in Waltalingen. Man entschied sich für einen Rehrücken aus heimischer Jagd und dazu einem Flaacher Barrique Jahrgang 2006. Zum Dessert gab es gebrannte Creme und einen Brandwein und zum Nachtisch Sex in Sonjas umgebauten Bauernhaus mit Sicht auf den Herbstnebel im Zürcher Weinland.

Die Beziehung verlief harmonisch und stabil. Die Beiden passten gut zueinander und waren auf dem ganzen Flughafen bald als Traumpaar bekannt. Gemeinsame Ferien folgten und JoBo packte seine Sachen und zog vom Weinbauort Weiningen ins Zürcher Weinland. Nach den rassigen Schlitten wie Q3 und Golf V77, fuhr er jetzt einen Subaru Legacy, der so ganz prima in den ländlichen Teil des Kantons passte. Bereits nach drei Monaten schmiedeten sie Hochzeitspläne und auf dem Bürotisch lagen Kostenvoranschläge für den Umbau der Küchenkombination für geschätzte 50'000 Franken. Sonja arbeitete jetzt Teilzeit und versuchte beide Arbeitspläne aufeinander abzustimmen.

JoBo wurde ein anderer Mensch. Junge Damenbeine unter kurzen Röcken verloren ihren Reiz und am Abends während dem Night Stop zog er sich gerne auf sein Zimmer zurück und las Zeitschriften wie «Landlust» und «Land und Leute». JoBo hatte seine innere Ruhe gefunden. Er engagierte sich in der Dorfgemeinschaft und trat der örtlichen Feuerwehr bei. Man sah ihn öfters in karierten Hemden und Gesundheitsschuhen mit breitem Fussbett.

Nach den gemeinsamen Ferien im Südtirol fuhr JoBo mit dem Subaru (ich bremse auch für Tiere!) in die Tiefgarage am Flughafen und suchte einen Parkplatz. Nach gut 20 Minuten hatte er Glück, fand eine Lücke und drückte am Lift die Taste nach unten. Schnellen Schrittes lief er zum Crew-Postfach in der Hoffnung, kein bekanntes Gesicht zu erblicken, schliesslich hatte er sich mit Sonja um 15 Uhr im Reformhaus in Kloten verabredet.
Mit einem Stapel Papier unter dem Arm verliess er das Gebäude, lief zum Subaru (ich bremse auch für Tiere!) und suchte vor dem Reformhaus einen freien Parkplatz. Heute Abend war ein Festessen geplant. Soja-Tofu mit Seitan-Weizen-Spiesschen und zum Dessert Fruchteis mit Tofu. JoBo hätte nie gedacht, dass die vegane Küche so gut schmecken würde.

Zuhause angekommen zog er sich kurz ins Arbeitszimmer zurück und öffnete die Crew-Post. Neue Direktiven, Procedures und Wechsel bei den Subalternen wurden – leider nicht auf Umweltschutzpapier – angekündigt. Zuunterst auf dem Stapel lag eine Einladung zu einem CRM-Kurs im Jura. Goumois hiess der Tagungsort und man werde sich dort drei Tage mit Kollegen von anderen Firmen am Flughafen zu einem intensiven Austausch treffen mit dem Ziel, die Arbeit zwischen den Schnittstellen zu verbessern und die Zusammenarbeit zu stärken. Nicht schlecht, dachte JoBo, und legte den Brief auf den Stapel. Bis zum Kurs waren es noch drei Wochen.

Drei Wochen später stand er am Bahnhof Andelfingen und wartete auf den ankommenden Zug aus Schaffhausen. Zusammen mit einem Copiloten der Langstrecke, bildete er eine Fahrgemeinschaft und sie nahmen den langen Weg Richtung Westen unter die Subaru-Räder. Bei der Raststätte Kölliken-Nord gönnten sie sich einen Kaffee und trafen auf ein bekanntes Gesicht. Jaques Gonfler sass in einer Ecke und strahlte, als er JoBo entdeckte.

«Mon Dieu, was macht denn der Bohnenblust hier?»
«Ach der Gonfler! Arbeitest Du hier?»
«Ich nicht, aber Supaporn steht hinter dem Tresen. Ich habe sie letzten Monat in Bangkok geheiratet und mit in die Schweiz genommen. Du weisst ja, sonst stellt sie in Thailand mit meiner Sozialhilfe wieder Blödsinn an.»

Das Gespräch drehte sich um alte Zeiten, noch ältere Flugzeuge und Heldentaten, die so unmöglich stattfinden konnten. Der Copilot drängte zum gehen, schliesslich stand noch eine lange Fahrt auf dem Programm.

Mit einer Verspätung von 23 Minuten traffen sie in Goumois ein. Der Treffpunkt war ein Zeltplatz idyllisch gelegen am Doubs. Nicht weit davon übten Kajakfahrer das Spiel mit dem wilden Wasser und eine deutsche Familie versuchte mit nassem Holz ein Feuer zu entfachen.

«Nun beeilt Euch schon! Die anderen sind schon bei der Bootsausgabe.»
«Bootsausgabe?»
«Als Einstieg machen wir einen Bootsausflug. Dabei bilden zwei sich unbekannte Personen ein Team und teilen die zwei Nächte auch das Zelt.»
«Campieren?»
«So, jetzt vorwärts dalli! Zum Diskutieren haben wir am Abend Zeit. Bohnenblust, sie haben Zelt Nummer 4.»

JoBo lief zum Zelt Nummer 4. Klein, aber tadellos montiert, das sah er auf den ersten Blick. Auf der linken Luftmatratze lag ein blauer Rucksack und daneben verteilt eine Daunenjacke und eine Stirnlampe. JoBo zog sich um und ihm stockte der Atem, als er zufällig das Namenschild auf dem Rucksack sah. «Katharina von Sigriswil» stand da in grossen Lettern geschrieben. Das konnte ja heiter werden.

Fortsetzung folgt.