Freitag, 10. August 2012

Milano buonasera

JoBo sass alleine in einer Ecke der Quartierbeiz und blätterte unmotiviert im Stadtanzeiger. Todesanzeigen über eine ganze Seite. Der Föhn war zu Gast die letzten Tage, was die kränklichen Leute im Massen sterben liess. Der Tod brachte Trauer, aber nur wer den Liebesschmerz kennt, weiss was wahres Leiden heisst.
Die Serviertochter – Leni zum Namen und seit drei Jahren in der Schweiz – brachte den dritten Espresso. Dass JoBo den Espresso ohne Zucker und Sahne trank, schien der Schwerinerin entgangen zu sein. Dass er aber Kapitän auf einem grossen Flugzeug war, auf keinen Fall. So berührte sie jedes mal seinen Ärmel und hoffte auf einen zärtlichen Blick. Nichts dergleichen, JoBo starrte auf die Todesanzeigen und hoffte im Leid anderer Linderung für seine Liebesschmerzen zu finden.
Dabei entgingen ihm die sorgfältig ausgesuchten Weisheiten, die auf die Zuckerportionen gedruckt waren. Leni sah sofort, was den attraktiven Gast in der Ecke beschäftigte und dementsprechend vorsichtig wurden die Sprüche weiser und weniger weiser Personen ausgesucht. Auf dem ersten Beutel kam Marlene Dietrich vor gut dreissig Minuten mit dem ersten Espresso zu ihrem Auftritt:

Die meisten Frauen setzen alles daran, einen Mann zu ändern, und wenn sie ihn 
geändert haben, mögen sie ihn nicht mehr.

Als Leni sah, dass JoBo den Zucker nicht beachtete, schob sie unter das nächste Beutelchen einen leckeren Keks. Vielleicht brachte Doris Day JoBo's Humor zurück:

Die Frauen machen sich deshalb so hübsch, weil das Auge des Mannes besser
entwickelt ist als sein Verstand.

Frau Annerösli Berchtold, dankbar eingeschlafen im 97. Altersjahr im Altersheim Bergblick, schien JoBo mehr in seinen Bann zu ziehen, als die Nachricht auf Zuckerbeutel Nummer drei, vorgetragen durch Liza Minelli:

Wenn ein Mann will, dass ihm seine Frau zuhört, braucht er nur mit einer anderen zu reden.

Keine Regung bei JoBo. Oder doch? Seine Miene erhellte sich und er notierte eine Nummer. Schnell kramte er zwanzig Franken aus seinem Geldbeutel und legte es auf den Tisch neben die Zuckerweisheiten. "Schon gut so Leni", sprach er deutlich und verliess die Quartierbeiz im Laufschritt.

Leni räumte den Tisch ab und versuchte zu erraten, warum JoBo das Lokal so überstürzt verlassen hat. Sie wollte die Lokalzeitung schon zurücklegen, als sie über ein kleines Inserat stolperte: Lokalfernsehen sucht Singles für eine Kuppelshow. Man kann sich melden unter ...
Leni meldete sich.

JoBo rannte zu sich nach Hause und schnappte sich das Telefon. "Der Katharina werde ich es zeigen", dachte sich der Jungkapitän, während er die Faust im Sack machte. Er rief die überteuerte Nummer an, notierte sich die Angaben, die eine junge Dame auf ein Band sprach, startete dem Mac und schrieb eine Bewerbung, der er ein Bild in Uniform beilegte. "Wie erkennt man einen Piloten an einer Party von 200 Leuten? Ganz einfach: Er sagt es ihnen..." Einmal mehr bewahrheitete sich diese alte Hostessenweisheit.

Gut zwei Wochen später sass JoBo in Sponsorenkleidern und Sponsorenfrisur auf Sponsorenstühlen und hielt einen Sponsorendrink in den Händen. Auf dem Teleprompter vor seinem Kopf erschienen die vorher abgesprochenen Fragen und die dazugehörenden Antworten. Diese hat ein knapp 20-jähriges Ding formuliert, die nächstes Jahr Publizistik (so geil!) studieren will.
Die Sponsorenschuhe drückten und der Sponsorenscheinwerfer blendete. Eine Assistentin, die nächstes Jahr Publizistik (so krass!) studieren will, hüpfte mit einer Uhr vorbei, die die Zeit bis Sendebeginn anzeigte.

Drei, zwei, eins – ACTION.

"Unser erster Gast heute Abend ist Johannes Bohnenblust, genannt JoBo, der als Flugkapitän bei der SCREW arbeitet. Doch lassen wir die Bilder sprechen, geniessen wir einen kleinen Ausschnit aus dem interessanten Leben unseres Helden der Lüfte."

Was folgte war mehr als peinlich. Die Kamera verfolgte den fast 40ig Jährigen bei seinem ersten Krafttraining EVER! Der Sponsor wollte es so und der Sponsor wollte auch das blaue Muskelshirt. Da JoBo's Figur nicht dem Ideal eines regelmässigen Fitnessclubbesuchers entsprach, bastelte eine junge Assistentin, die nächstes Jahr Publizistik studiert (sooo Mega!), ein paar Sixpacks auf den Bauch und als Zugabe ein Tattoo auf den Oberarm, das eine 747 bei Start zeigte. Darunter prangerte gut lesbar der Spruch: 

don't be knitter, take a 747 skipper

Natürlich waren diese Bilder nicht mit JoBo abgesprochen und natürlich kam es noch peinlicher. Ihm völlig unbekannte Damen versuchten JoBo ins beste Licht zu rücken, versäumten es aber nicht, JoBo einen Hang zur Vielweiberei anzudichten. Es sei halt so in der Fliegerei, meinte eine, die nächstes Jahr Publizistik studiert (oh my god!) und schob eine Kusshand nach.

Fünf Minuten später war der Film zu Ende und JoBo's Ruf ruiniert. Die Show begann und Fragen wurden gestellt. Kandidatin eins war jung, studierte an dem Herbst Publizistik (mega cool!) und wollte schon immer einen Piloten im Bett. Kandidatin zwei brachte zwei Gören mit in die Sendung und Kandidatin drei war zwar Deutsche, aber dafür sehr sympathisch. Liebe Leser sie ahnen es, Leni hatte sich hinter dem Vorhang mit der Nummer drei versteckt.
Musik wurde angestimmt, Geschenke vom Sponsor verteilt und die Assistentin, die nächstes Jahr Publizistik studiert (voll krass!) übergab den Hauptpreis an die zwei Turteltauben.

Ein Wochenende im Flughafenhotel in Malpensa für zwei Personen, türkisches Bad inklusive. JoBo erlitt vor laufender Kamera einen Nervenzusammenbruch, was seine Vertrauensärztin im Fliegerischen Medizinzentrum mit Sorgenfalten beobachtet und subito im Dossier von JoBo notierte.

Buonasera Milano!

4 Kommentare:

  1. Hab ich was verpasst, warum sind denn nu Katharina und JoBo nicht mehr zusammen?
    Der hat wohl nur Pech mit den Damen.

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    1. Die hatte ja nur einen one night stand ;-)

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  2. Aber ein "Guten morgen Schatz" in Teil 5 hört sich für mich doch etwas vertauter als nur One Night Stand an!

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  3. @Sebastian:
    ...Frauen und Männer, das kommt schon wieder!

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