JoBo stand zwischen Galley und Toilette eingeklemmt und
beobachtete das Boarding seines Flugzeugs. Die Chefin zählte die Passagiere,
JoBo die weissen Sommerhüte.
Alle sahen sie diesen Sommer gleich aus. Viel zu grosse
Pilotenbrillen überdeckten die letzten Pickel und auf dem Kopf wurde lässig
dieser weisse Basthut getragen, mit dem Frank Sinatra vor 300 Jahren «New York,
New York» zu Besten gab.
Kids sind doof, dachte JoBo und schaute einer jungen
Blondine in den Ausschnitt.
Dabei wollen die Kids nur «In» sein und cool wirken.
Anpassen um jeden Preis, abtauchen in der Menge. Nur nicht auffallen, nur
nichts falsch machen. JoBo war im Grunde genommen keinen Dreck besser. Seit dem
Zoff mit Katharina hing er Abend für Abend in angesagten Clubs herum, hörte
laute Musik, bewegte sich lässig dazu und trank klebrige Getränke wie
«Aperol-Spritz» und «Hugo». Ach, er konnte diesen «Hugo» nicht mehr sehen! Er
vermisste Katharina.
«Haben sie WiFi?»
Diese doofe Frage konnte nur von einem pubertierenden
Klugscheisser kommen, der im Facebook anderen weissen Sommerhutträgern sagen
wollte, was er durch seine getönten Ray-Ban Imitationen sehen konnte.
«Ich sitze auf 23B»:
«102 Gefällt mir!» – «23A ist blond»: «112 Gefällt mir und 14 Kommentare» –
«Fliegen ist geil» - «132 Gefällt mir und 1 gefällt mir nicht.»
«OMG!»
Doch es gab nicht nur die weissen Sommerhutträger mit den
kurzen Hosen und den Ray-Ban Imitationen, es gab auch die Langhosenträger mit
Ohrwärmern, wobei die Ohrwärmer unbedingt ein rotes «b» auf der Ohrmuschel haben
mussten, allenfalls der Träger total uncool wirkte, was ihn von den b-Ohrwärmträgern
böse Kommentare einbrachte.
JoBo blickte in den Ausschnitt der Brünetten, was ihm böse
Blicke vom Tätowierten Bodybuilder mit Harley Davidson Jacke eintrug. Die Möpse
waren wirklich gut, da hat sich der Blick gelohnt.
Katharina war auch gut bestückt. Nicht zu gross, aber auch
nicht zu klein. Naturweich ohne störenden Silikonwiderstand. Gut um darauf
einzuschlagen und noch besser um daran zu erwachen.
Ach wie er Katharina vermisste!
Ein älteres Pärchen näherte sich dem Flugzeug. «Fliegen sie
über Bassersdorf an?»
«Nein, dieser Anflug ist erst ab 21 Uhr aktiv und wenn sie
sich beeilen mit Einsteigen, dem Handgepäck verstauen und sich setzen, dann
landen wir noch vor halb Neun...».
«Ach wissen sie, ich bin Aktuarin bei den Östlern!»
«Bei den Östlern?»
«Ja, im Fluglärmforum Ost. Und wenn ich als Aktuarin
ausgerechnet über Weisslingen anfliege, verzeihen mir das meine
Vorstandskollegen nie. Schliesslich habe ich extra SCREW gebucht, damit wir die
Nördler etwas ärgern können.»
«Die Nördler?»
«Flugscheisser Nord, sie wissen schon, Höri und so... »
JoBo wurde abgelenkt durch eine Blondine. Etwas Sonnenbrand
am Brustansatz, aber ein rassiges Weibsstück!
Ach wie er Katharina vermisste.
Ein Lehrer stieg ein. Warum JoBo das erkannte wusste er auch
nicht, aber es stellte ihm alle Nackenhaare auf. Der Herr trug Manchesterhosen
und einen Sakko aus gleichem Stoff, und das bei Temperaturen von über 30° im
Schatten.
«Fliegen sie mit Biotreibstoff?»
«Keine Ahnung, da müssen sie Air Total fragen.»
«Ich finde
Biotreibstoff unethisch!»
«Warum?»
«Damit sie fliegen
können, hungern Millionen von Menschen in der dritten Welt.»
«Und sie sind natürlich total unschuldig...»
«Ich bin bei
Greenpeace, beim Club of Rome, bei Max Havelaar und kaufe Kleider im
Drittweltladen in Winterthur Veltheim.»
Des Lehrers Gattin verdrehte die Augen und entschuldigte
sich nonverbal bei JoBo. JoBo nahm die nonverbale Entschuldigung an und gönnte
sich einen Blick auf die Wölbungen des Sommerkleids, was die Lehrersgattin
nicht zu stören schien. Ach wie er Katharina vermisste.
«Haben sie nun
Biotreibstoff oder nicht?»
«Keine Ahnung Herr Oberstudienrat, aber weil sie mich jetzt
so lange aufgehalten haben bin ich gezwungen mit Vollgas zu fliegen, was
mindestens 300 Kilogramm Mehrverbrauch zur Folge hat. Gerne können sie das
CO2-kompensieren.»
Nach weiteren vier Weisshüten und vier b-Ohrwärmern war das
Boarding beendet und JoBo – äh Verzeihung – der Copilot startete wenige Minuten
später beide Triebwerke und das Flugzeug raste mit M0.79 dem Feierabend
entgegen.
Die Checklisten wurden abgearbeitet und Zürich kam näher.
Laut Bordcomputer sollten sie um 18:23Z, also 20:23 Lokalzeit über dem
Anflugpunkt RILAX sein. Einer Landung auf der 14 stand nichts im Weg. Kaum auf
131.15 MHz gewechselt, begann JoBo’s Herz zu rasen. Es war Katharina am anderen
Ende der Leitung.
Ungewohnt scheu und unsicher meldete sich JoBo an. Korrekt
mit Flugnummer und Wettercode, mit Flugzeugtyp und Flughöhe. Etwas harscher als
bei den anderen Flugzeugen kam die Antwort zurück:
«RILAX AND HOLD!»
Satte 45 Minuten und 1.4 Tonnen Kerosin später setzte der
Airbus auf der Piste 28 auf und wurde – auch dass noch – auf den Standplatz D08
gelotst.
Der Lehrer wetterte wegen der Umweltverschmutzung; die
Aktuarin, weil sie im Tiefflug über Weisslingen donnerte; die Weisshüte, weil
sie weitere unnötige 45 Minuten vom Facebook getrennt waren; die
b-Ohrenwärmerträger in den Batterien ihrer iPods Leere herrschte und die
Kabinenchefin wegen der schlechten Landung. Nur die Lehrersgattin zwinkerte JoBo
zu und bedankte sich nonverbal für das schlechte Umweltgewissen ihres Gatten.
JoBo musste sich etwas einfallen lassen, so konnte es nicht
weitergehen.